Hart sein kann hart sein – Auch Polizisten haben Gefühle WDR5, Neugier genügt, 10.2.09, 18 Min-O-Ton-Feature

Hart sein kann hart sein / Auch Polizisten haben Gefühle

n PolizistInnen werden hohen Anforderungen gestellt: Sie müssen Todesnachrichten überbringen, Familienstreitigkeiten schlichten, Räuber stellen, Mörder überführen, bei Katastrophen ermitteln, Verkehrsunfälle aufnehmen – kurzum, sie müssen, je nach Situation, mal harte Kerle, mal mitfühlende Ansprechpartner sein.

Wie gehen sie damit um? Können sie das Erlebte vom Privaten trennen? Schalten sie abends einfach so ab? Oder verfolgen sie eine  vergewaltigte Frau, ein den Eltern weggenommenes vernachlässigtes Kind, Schwerverletzte bei einem Autorunfall bis in die Träume? Wie bewältigen Polizisten in ihrer Arbeit die schwierige Balance zwischen Empathie und Distanz? Ingrid Müller-Münch ist diesen Fragen nachgegangen. Sie hat auf der Suche nach Antworten mit Betroffenen, mit Gewerkschaftern, Pfarrern und  psychologischen Betreuern über die  Schwierigkeit geredet, sich in diesem Beruf  vor emotionalen Eindrücken zu schützen, damit es nicht zum eigenen seelischen Desaster kommt.

Hart sein kann hart sein

Auch Polizisten haben Gefühle

WDR-Sendung Neugier genügt, 18 Minuten, 2009

O-Ton-Collage:

Pol Binder 0:12

Man hat zwar gehört, ja, dann siehste mal ne ekelige Leiche, oder da musste auch mal dich mit familiären Problemen auseinandersetzen (runterblenden)

Pol Pahlke 12:05

Die häusliche Gewalt, das überfahrene Kind, Brandopfer, schwere Verkehrsunfälle.

PolKuhlemann 7:22

Die waren vollkommen geschockt und handlungsunfähig.

Pastorin Kein 5:00

Also die können nicht einfach – ich sags jetzt mal ganz hart – sofort kotzen, wenn es einem eigentlich hoch kommt.

Atmo Lalülala

O-Ton Pastorin Kein 5.00:

Es ist mir erst im Laufe meiner Arbeit aufgegangen,  an wievielen Stellen Polizisten und Polizistinnen immer ihre Gefühle zurückhalten müssen. Wut. Angst. Ekel. Also die können nicht einfach – ich sags jetzt mal ganz hart – sofort kotzen, wenn es einem eigentlich hoch kommt. Sie können nicht weglaufen, wenn sie Angst haben. 5:36 Und sie dürfen auch niemanden schlagen, obwohl ihnen eigentlich danach wäre, weil eigentlich die Wut mit ihnen durchgehen könnte.

Atmo Lalülala

O-Ton Polin Zygmann10:15

Der Polizeiberuf ist anders als jeder andere Beruf. Man weiß nie was kommt. Die Situationen sind extremer. Man findet irgendwo Leichen oder stößt auf andere unangenehme Situationen. Es ist schon hart ja. Also es nicht der 0815 Bürojob. 11:10 Aber letztendlich wenn man dann den Einsatz bekommt, wo etwas Schlimmes passiert, ist man doch eigentlich immer wieder ins kalte Wasser geworfen. Weil jeder Einsatz ist anders, jeder Streit ist anders. Und somit ist auch jede Situation anders belastend.

Atmo Lalülala

O-Ton Pahlke 46:10

Jemand, der nach einer besonderen beruflichen Belastung Reaktionen zeigt, reagiert gesund. Ich möchte da ein Beispiel nennen.  Wenn sie nen Marathonlauf machen und sie haben danach Muskelkater und ihnen tun die Knochen weh, dann ist das gesund. Normal. Also sie haben eine normale Reaktion eines Gesunden auf eine verrückte abnormale Situation.

Atmo Töne

O-Ton-PolKuhlemann

1:17 Ich bin Kriminalhauptkommissar und seit 25 Jahren bei der Polizei Nordrhein-Westfalen.  1:37 In Zusammenhang mit dem Zugunglück in Brühl.. 2:20 Das war die erste wirkliche Katastrophe, wo ich eingesetzt war. 3:23 Dann in Brühl angekommen, hat mich die enorme Wucht, diese Zerstörungskraft der ungebremsten Tonnen Metall aus der Bahn geworfen. 4:46 Am Belastendsten war  das Arbeiten in der Öffentlichkeit. Man kann sich das vorstellen, wenn da Leichen, Leichenteile, Gewebe, Organe usw. auf freier Flur sich befinden, man dann quasi vor laufenden Kameras, da sind ja Nachbarn auf die Balkone gegangen, um Fotos zu machen usw. Und um diese sehr intime Arbeit in Ruhe durchführen zu können, da fehlte alles.  Ich erinnere mich an Hubschrauber, aus denen gefilmt wurde.  6:31 Ich hatte das Pech, dass in meinem Bereich die meisten Leichen lagen. Sechs der neun Leichen waren in meinem Bereich. 6:43 Es gab Teams, die waren schon lange lange fertig, bevor ich eigentlich richtig angefangen habe, schlicht und einfach, weil in deren Bereich nichts Gravierendes passiert war. Und da standen Kollegen, 5 Meter von mir entfernt, und ich hab die gebeten, mit anzupacken. Die starrten mich nur an. 7:22 Die waren vollkommen geschockt und handlungsunfähig.

Atmo-Töne

O-Ton-PolBredemeier 0:20

Ich bin 43. J. alt. Bin z.Zt. beim Kommissariat Vorbeugung/Opferschutz und dort für das Sachgebiet Sucht- Drogenprävention zuständig. Ich bin seit etwas mehr als 24 Jahren bei der Polizei.1:44 Das für mich persönlich schlimmste Erlebnis war der Tod eines Freundes, eines Arbeitskollegen. Der bei einer Durchsuchung vor fast 10 J. erschossen wurde. Da war ich selber nicht direkt am Einsatz beteiligt, also nicht vor Ort. Ich hatte die Aufgabe vom Büro aus den Einsatz mit zu leiten. Und hab mir, was sich nach mehr als einem Jahr rausstellte, ja unbewusst und später auch bewusst Schuldvorwürfe gemacht. Weil an sich war dieses Türen eintreten, Leute festnehmen, das war mein Job. Ich hatte nur an dem Tag die Aufgabe nicht übernommen, weil ich Konzertkarten hatte für den Abend. Und deswegen eher aus dem Einsatz entlassen werden wollte.

Atmo Töne

O-Ton PolizistinBinder0:12

Ich bin Polizeibeamtin. Ich bin seit 1998 bei der Polizei, damals war ich 16. Hab direkt nach der Realschule bei der Polizei angefangen.  Hab auch nicht geahnt, was da auf mich zukommt. 5:18 Der Unfall, der war einfach ganz schrecklich, wir waren nicht vorbereitet, wir sind dahin gefahren, weil es hieß, es steht ein LKW quer auf der Fahrbahn. Es war halt ein lockerer Nachtdienst. Und als wir dann ankamen, war der Notarzt schon da. Und sagte halt nur, zweimal Exitus und ein Kind schwer verletzt. Ja und dann sah man bei den Kollegen, die mit mir da waren und bei mir, wie die Reaktionen einsetzten. Damit hatten wir halt überhaupt nicht gerechnet. Aber man musste halt seine Arbeit tun. Man musste Fotos machen, man musste ausmessen. Man musste die Abschlepper bestellen. Man musste die Leute identifizieren, die da im Auto sitzen. Einer von uns hat sich dann auch um das Kind gekümmert. Im Laufe des Unfalls stellt sich dann  heraus, dass es nicht die Eltern waren, die da im Auto saßen. Wo sich dann eine ganz absurde Erleichterung in mir breit machte. Was man so eigentlich nicht sagen möchte, aber es war halt so.

Atmo Töne

O-Ton-PolBrammertz:

Ich bin 35 J. alt. Polizeikommissar. Bin verheiratet seit 10 J. Habe 3 Kinder.  43 Ich bin insgesamt 17 J. bei der Polizei.  54-2 Eins meiner herausragendsten Erlebnisse war mit Sicherheit hier in Wuppertal, 1999 der Schwebebahnabsturz. 1:07-8

Die Schwebebahn – da waren Reparaturarbeiten- und einer der ersten Fahrten ist eine Kralle hängen geblieben und die erste Schwebebahn ist gegen diese Kralle geprallt und ist dann in die Wupper gestürzt.  1:33-3 Und die Folge war ca. 60 Verletzte und 5 Tote. 1:53-6 Man hat die ganzen Verletzten gesehen. Man hat am Anfang keine Toten gesehen.  Und für mich war die Aufgabe, die sich herauskristallisiert hatte, die Angehörigenbetreuung. 3:30 Und das einschneidendste Erlebnis ist halt, dass man mit ganz vielen Gefühlen zu tun hat dort. Es kommen  Bürger, die unterschiedlichste Gefühle zeigen. Welche die kaum sprechen, versteinerte Mine an den Tag legen. Es gibt aber auch Leute, die mich angeschrieen haben, obwohl ich versucht habe, ja denen zu helfen. Oder es gab Leute, die total niedergeschlagen waren und im ersten Moment überhaupt nicht wussten was sie in der Situation machen sollten.  Und ich war also froh, dass ich an meiner Seite auch unsere etlichen Polizeiseelsorger hatte. Die sich mit mir um die Leute gekümmert haben. 5:27

Atmo Töne

O-Ton Pastorin Kien 0:17

Mein Name ist Claudia Kien. Ich bin jetzt 41 J. alt. Und mache seit 12 Jahren Polizeiseelsorge. 4:21 Das sind natürlich alles Extremsituationen. Also. Für Wuppertal heißt das Schwebebahnabsturz. Kollege wird erschossen. Immer dann wenn jemand in Gefahr ist. Wenn man schwere Opfer ansehen muss. Suizide. Also ich erinnere jemanden der sich suizidiert hat und sich mehrfach selber mit dem Messer in den Bauch gestochen hat. Das sah überhaupt nicht schön aus und man fragte sich, wie schafft das ein Mensch überhaupt. Solche Bilder. 5.

Atmo Töne

O-Ton-Polpahlke 0:31

Ich bin Dr. Christoph Pahlke, 50 J. alt und leite die Untersuchungsstelle für die Polizei. Zu meinem Tätigkeitsbereich gehört aber auch die Betreuung von Kollegen und Kolleginnen aus der Polizei nach besonderen beruflichen Belastungen.

27:54 Es kommt zu einem schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn. in diesen Unfall sind ein paar Fahrzeuge verwickelt. Und ein Fahrzeuginsasse ist tot. Mehrere sind verletzt. Die werden abtransportiert und behandelt und bei dem Verstorbenen findet sich ein Aktenkoffer und ein handy. Und dann ist es Aufgabe von den Beamten die den Einsatzort zu bearbeiten haben diese Dinge sicherzustellen, weil sie ja letztlich den Angehörigen übergeben werden müssen. Eigentlich eine Routinesache überhaupt nichts Ungewöhnliches. Und plötzlich klingelt das handy. Und was machen sie, wenn sie ein handy in der Tasche haben, das klingelt, sie gehen dran. Und das ist auch passiert. Und  am handy war ein enger Angehöriger des gerade verstorbenen Unfallopfers.  Also der Sohn wollte seinen Vater anrufen. 28:56 , 29:53 Das ist eine Situation, da gefriert einem als Zuhörer das Blut in den Adern. Weil auf so eine Situation sind sie nicht vorbereitet.

Atmo Töne

O-Ton PolinBinder 1:37

Also ich denke, ich war mit 16 ein bißchen blauäugig und naiv. Man hat zwar gehört, ja, dann siehste mal ne ekelige Leiche, oder da musste auch mal dich mit familiären Problemen auseinandersetzen, die dich vielleicht belasten, aber so wirklich an die Hand genommen worden und drauf vorbereitet wurde man nicht. Und das war dann mehr so der kalte Sprung nach Wasser, als ich dann so nach zwei Wochen auf der Straße den ersten verbrannten Toten aus dem Auto ziehen musste, da kann einen auch keiner drauf vorbereiten. Also man kann sich das vorstellen, wie man reagiert, aber letztendlich agiert man vor Ort ganz anders, und die Gefühle, die in einem ablaufen sind einfach, ja unangenehm. Und damit muss man sich auseinandersetzen, damit man die eben auch irgendwie wieder los wird.

O-Ton PolBrammertz: 9-15

Und ja, dass  der Einsatz  dann Spuren hinterlassen hatte, das hab ich dann erst erfahren, weil ich ja dann in der grossen Runde, wo auch höhere Dienstränge waren,  förmlich ausgerastet bin. Ich bin laut geworden, hab dann auch gemerkt, dass Tränen mir die Wange runter liefen, und ich hab dann auch den Raum von selbst verlassen. Weil ich merkte, dass es emotional halt eben was mit mir gemacht hat.

O-Ton Kuhlemann:23:50

Bei mir brachen erst alle Dämme, als ich dann die Bilder in der Tagesschau gesehen hab und ich dann anfing Rotz und Wasser zu heulen.   8:10  Hab die ganze Nacht nicht schlafen können. Und hab dann morgens auffer Dienststelle angerufen, zunächst mal den Kollegen, wir waren im Zweierteam, der mit mir unmittelbar zusammen war. Und der sagte auch, er hätte ne unruhige Nacht. Aber bei weitem nicht so schlimm wie ich. Und der hat dann auch schon gesagt, ich glaub du brauchst Hilfe, das hört sich nicht gut an. Daraufhin hab ich dann die Dienststellenleitung informiert, und die haben mir dann auch sofortige  Hilfe zugesichert. Und das hat auch absolut reibungslos funktioniert.

O-Ton-Pol-Bredemeier

Ich hab die psychische Belastung erst mal ein Jahr lang gar nicht festgestellt. Bis es zu einem weiteren Einsatz kam. Dort wurde ich  in einer Sonderkommission eingesetzt. Als in Remscheid eine Kollegin erstochen wurde. Und die Konstellation dieser gesamten Ereignisse hat dann wiederum 3 – 4 Wochen später dazu geführt, dass ich nicht mehr in der Lage war, irgend welche Durchsuchungsmaßnahmen durchzuführen.  Irgendwelche Leute festzunehmen, Und dann hab ich mir auch professionelle Hilfe geholt.  Bin psychologisch betreut worden. Und war dann auch 7 Monate lang krank geschrieben deswegen.  3:33-2

O-Ton Polin Binder 5:18

Der Einsatz hat sehr sehr lange gedauert. Auf der Wache haben wir dann halt noch so unser Feierabendbierchen, also wenn was Schlimmes passiert ist, trifft man sich danach und redet drüber. Dieses Reden hat mir halt nicht gereicht. Ich bin halt wach geworden und hatte diese verbrannten Leute vor Augen. Verbrannte riechen sehr sehr intensiv. Der Geruch war mir ständig präsent. Verbrannte Menschen verkrampfen sich, also nehmen sone Embryostellung ein. Das hab ich ständig gesehen. Das bin ich nicht mehr losgeworden. Hab dann versucht, mit meiner Mutter drüber zu reden. Hab dann gemerkt, ich belaste meine Mutter damit, das war also auch nicht der richtige Weg. Und hab mich dann hingesetzt und habs aufgeschrieben. Und das war dann für mich der Punkt, wo ich dann sagen konnte, OK, jetzt ist Akte zu, du hast es abgelegt, es ist in Ordnung. Also es bewegt mich jetzt nach, wie lang ist es her, sechs, sieben Jahre immer noch, wenn ich drüber erzähle. Aber es ist nicht mehr, dass ich mich unwohl fühle.

Atmo Töne

O-Ton Pahlke 32:04

Z.B. werden die Augen des Täters nicht mehr vergessen. Es prägt sich immer das Bild ein mit den bösen Augen. Oder der Blick in den Lauf der Waffe. Es kommt zu Schlafstörungen. Es kommt zu Reizbarkeit. Stellen sie sich vor, jemand hat Tage, Wochen nach dem Ereignis Schlafstörungen, weil ihn immer wieder die Gedanken kreisen, was wäre passiert wenn. Ich hätte tot sein können, hätte ich es anders regeln können, wäre ich doch nicht an das Auto getreten. Er schläft darüber nicht. Die Bilder prägen sich ein. Es gibt Alpträume. Er ist schreckhaft. Und jetzt knackt es nachts am Haus. Weil Häuser schon mal knacken. Und er schreckt hoch. Das ist in der ersten Nacht noch nachvollziehbar. In der 5. Nacht ist das überhaupt nicht mehr witzig. Und der Betreffende hat Familie, ne Ehefrau und Kinder und er ist im Grunde kaum noch mit der Kneifzange anzufassen. Dann wirkt sich das auf das gesamte Umfeld aus und der Betreffende leidet wie ein geprügelter Hund. Obwohl er nichts dafür kann.

O-Ton Kuhlemann 10:37

Gerade auch als Todesermittler ist die Zuversicht in die eigene Unverletzlichkeit überlebensnotwendig. Wenn ich alles an mich heranlassen würde, wäre ich vom Menschlichen her nicht handlungsfähig. Wir arbeiten routiniert, wir arbeiten mit Toten, als Objekt unserer Arbeit. Das heißt, wir haben eine natürliche Distanz in der Arbeit. Dieses Mal ist es mir nicht gelungen, diese Distanz einzuhalten. Ich hab den professionellen Abstand nicht hingekriegt. Ich habe schon vor Ort aufgrund dieser bedauernswerten Katastrophe um die Leute getrauert. Und das ist vorher nie passiert. Und das ist das, was durch meinen Panzer durchging. Wir legen uns Panzer zu, Humor, Sarkasmus, Zynismus. Sachen die uns verändern, die uns natürlich auch helfen, mit dieser Art Arbeit zurecht zu kommen. Und diese Katastrophe ist durch den Panzer geschlagen wie ein heißes Messer durch Butter. Das war unvorhersehbar und auch in der Intensität, in der Wucht, ich hatte mir nie so was vorstellen können und dadurch, dass es so intensiv passiert ist, hab ich anfangs gedacht, ich komm da nie wieder raus. Das war es jetzt. 00:12:22-4

Atmo Töne

O-Ton Kuhlemann 9:03

Zunächst herrschte seitens der Dienststellenleitung und auch der Dienststelle, meine anderen Kollegen, ne Riesenunsicherheit. Das war wie ne eingeschlagene Bombe, dass da jemand meldet, ich komm damit nicht klar. Sowas hats ja vorher noch nie gegeben. Die sind erstmal auf Abstand geblieben. Die wussten nicht, wie reagiert er, was ist da überhaupt los. Und man hat dann sofort ein Kriseninterventionsteam über die Behörde alarmiert. Bestehend aus einem Arzt und einem Polizeibeamten. 13:08 Die ersten Wochen war Verunsicherung. Vor allem Verunsicherung der Leute, die natürlich mit vor Ort waren. Passiert mir auch sowas? Was geht bei mir ab? Die Leute haben mit Sicherheit dann auch mal genauer in sich reingehört oder auch mal das eine oder andere Gespräch zusätzlich geführt. Zum anderen aber auch, was ist mit dem los? Warum hat es den so erwischt? Wie gehe ich jetzt mit dem um? Und da waren an und für sich alle befangen.

O-Ton PolinBinder 2:33

Erstmal hilft natürlich das Gespräch mit Kollegen unheimlich, die die dabei waren bei der Sache, die einen belastet. Oder auch im privaten Bereich, man hat natürlich viele Kollegen, die dann später Freunde wurden, mit denen man sich über solche Themen auseinandersetzt.  2:50 Mir persönlich hilft vor allem auch das Schreiben. Also ich schreibe Geschichten hierüber, die sind mittlerweile auch veröffentlich worden. Also es ist son bißchen, sich das ganze von der Seele schreiben. Das hilft mir.3:08 Wir sind ne Autorengruppe, nennen uns Polizeipoeten. Das Ganze erfolgte aufgrund der Initiative von Volker Uhl. Das ist ein Polizist. Der hat sich unheimlich engagiert, hat dann auch ne homepage gegründet, die sich Polizeipoeten nennt. Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir festgestellt haben, dass wir eben  unsere Erlebnisse durch Schreiben gut bewältigen können.

O-Ton Kuhlemann19:10

Ich war im Anschluss, nach einem halben Jahr in ner Traumatherapie.  Ich hatte immer wieder Albträume, hab Unruhezustände, Konzentrationslöcher. Ich war in einem Haus, auf einer Etage mit vielen vielen Kollegen. War ne reine Polizistenetage, und das ging dann halt von beschossenen Kollegen bis zurückschießenden Kollegen. Das war ne Klinik mit einer Etage quasi nur mit Polizeibeamten aus dem ganzen Bundesgebiet. Das war sehr sehr herbe.

O-Ton Atmo Töne

O-Ton Kuhlemann15:12

Auf solche Katastrophen, da kann man sich nicht vorbereiten. Wir haben viel und intensiv vorher gesprochen, Tötungsdelikten, mit Kindern usw. Da sitzt man schonmal zusammen beim Kaffee und beim Bier und dann erzählt man schonmal ne Stunde, wie man sich gefühlt hat, was man jetzt denkt. Aber darauf vorbereiten? So was kann man nicht trainieren. Wenn man in soner Katastrophe ist, dann ist der persönliche Instinkt, der einen da handeln läßt und der einen im Nachhinein reagieren lässt.

O-Ton PolinBinder:10:12

Es geht nicht mehr darum, dass man den harten Menschen spielen muss. Der Polizist kommt mit allem klar und darf auf gar keinen Fall irgendwelche Schwäche zeigen! Sondern es ist schon so, dass nachgefragt wird. Auch nach ein paar Wochen noch. Ob es denn geht, und ob man denn auch irgendwie damit klar kommt. Ob man Albträume hat, das kommt schon. Man wird dann ruhig angesprochen und das empfinde ich als absolute positive Wandlung.

O-Ton Bredemeier:

Ich denke auf Grund meiner Biografie und auf Grund meiner früheren Tätigkeiten bei der Polizei, Einsatzhundertschaft und Rauschgiftsachbearbeiter. Da musste man einfach funktionieren. Das heisst, bei vielen Geschichten konnte ich gar nicht lange drüber nachdenken oder bei Todesermittlungssachen diese „Gefühlsduselei“  hab ich mich nie mit beschäftigt. Hab ich wahrscheinlich meistens verdrängt. Um eben zu funktionieren, um eben der Polizist zu sein. Weil Schwäche zeigen, gerade als Mann, bei der Polizei is nicht so angesagt gewesen. In so fern denke ich auch, wird das mit der Hauptgrund gewesen sein, warum ich diese ganze Geschichte dementsprechend lange auch verdrängt  habe. Für mich. 00:07:35-7

Atmo Töne

O-Ton Kuhlemann17:30

Ich komm aus ner reinen Polizistenfamilie. Deshalb kann ich das über Jahrzehnte beurteilen. Das wär in den 70er, auch noch in den frühen 80er Jahren wär das mit Sicherheit ganz anders gelaufen. Da wurden Probleme anders gelöst. Solche Probleme konnte man da nicht im Dienst ansprechen. Da war man wirklich unten durch, nach dem Motto, wenn du das hier nicht packst, dann geh lieber zur Heilsarmee oder geh zum Verkehrsdienst oder sonstwas. Das hat die Kollegen in Drogensüchte, Alkoholismus, sonstwohin getragen. Aber da hat sich zum Glück ne neue Kultur etabliert. Ich denke so, Anfang der 90er Jahre ist auch ne neue Generation von Leuten eingezogen und da kann man ganz offen drüber reden. Und das wird auch nicht als persönliche Schwäche dann ausgelegt. Sondern ich hab hinterher viel Anerkennung und auch viele Gespräche doch führen dürfen, wo mir gesagt wurde, ich find das ganz toll. Du hast da für uns die Speerspitze gebrochen, du warst der erste der da in die Bütt gegangen ist und gesagt hat, ich bin verletzt.

O-Ton Pastorin Kein 12:06:

Ich glaub, dass diese Polizei viel weicher geworden ist. Ich glaub auch, dass es daran liegt, dass es eine eben gemischtgeschlechtliche Polizei ist und es nicht nur eine Männerwelt ist. Das hat sicher viel verändert. 12:17

E N D E