Der Sturm – Live-Gespräch über die Feuilleton-Debatte
Am 23.8.2012 wird mit mir als Studiogast ein Gespräch über den Hype in den bundesdeutschen Feuilleton geführt. Inhalt: Das Buch „Der Sturm“.
Per Johansson: „Der Sturm“, Fischer, 23.8.2012, Ü. schwed. Alexandra Grafenstein, 18,99 euro, ISBN 978-3-10-017026-2 Scala 23.8/12 Livegespräch
Schweden. Tiefste Provinz im Norden Schonens.Noch erfreut sich Bertil Cederblad auf der Autofahrt zum verlassenen Hof seiner Großeltern an den kleinen weißen Anemonen, die den Waldboden bedecken. Doch als er das Scheunentor öffnet, sieht er dort etwas liegen, was einmal ein Mensch gewesen war, was aber nun zerteilt, auseinandergerissen und zerfetzt wurde und nur noch aus Knochen, Knorpel, Kleidungsresten besteht. Nur ein paar schwarze glänzende Schuhe, handgenäht und vom Feinsten, in denen die Unterschenkelknochen stecken, haben die aasfressenden Dachse übrig gelassen. Also etwas, das so gar nicht in diese arme ländliche Gegend Schonens passt, in denen die Menschen meist Regenmäntel und Gummistiefel tragen.
Bald schon ist klar: die Sache kann nicht lokal gelöst werden. Hier haben höhere und gewaltigere Mächte ihre Hand im Spiel.Und tatsächlich: nach einigen Ermittlungsvolten stellt sich heraus, dass der Tote Christian Meier hieß, Chef einer Zeitung, die in ganz Deutschland gelesen wird. Offenbar ein journalistisches Genie, der sich mit den weltumspannenden Fantasien über die Macht der Netzwerke beschäftigte, mit Gentechnik ebenso wie den Machenschaften auf den Finanzmärkten. In den Nachrufen wird Meier als ein Mann von grenzenloser Gutmütigkeit beschrieben, die zu äußerster Boshaftigkeit wechseln konnte. Ein Mensch der sich in Chatforen herumtrieb, in denen es um Kontakte zwischen älteren Männern und sehr jungen Frauen ging. Der Puffs aufsuchte. Und seine Anschauungen wechselte, manchmal von Woche zu Woche. Nach Ansicht seiner Umgebung war er korrupt, von Redakteuren gefürchtet, weil er grausam sein konnte, aber mit grandiosen Ideen und einem Gespür für neue gesellschaftliche Entwicklungen. Nur in den letzten beiden Jahren war er lahmer geworden, wirktefast komisch, wenn er wieder einmal den Untergang der Welt beschwor. .
Und so einer liegt dann plötzlich in einer Scheune in Visseltofta?
Hatte sich da einer seiner Untergebenen gerächt? Die Idee wird bald schon fallengelassen, denn immer mehr deutet alles in Richtung: weltweiter Verschwörung gegen die Allmacht der Banken. Schälen sich Hacker und Kauze, Sonderlinge und einsame Wölfe heraus, die versuchen, die Weltwirtschaft zu unterwandern.
Ein Sturm im Wasserglas. Ein eher flacher, unscheinbarer Krimi. Der erst durch das mediale Beiwerk zum Bestseller wird. Die „Welt“ lüpfte das Geheimnis, entlarvte den Autor als Thomas Steinfeld, Feuilletonchef der SZ. Und der Weg dahin, hinter dem unsympatischen toten deutschen Chefredakteur Christian Meier, Steinfelds Widersacher, Konkurrenten und ehemaligen Chef, den FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher zu vermuten, ist nicht weit.
Somit ein literarischer Racheakt? Martin Walser hat ihn im Tod eines Kritikers schon einmal verübt, als er eine sehr an Marcel Reich Ranicki orientierte fiktive Figur ermorden ließ.
Alles in allem eine geniale PR-Aktion.