Krimi-Service / Scala / WDR5 Französische Neuerscheinungen

Am 11. Oktober beginnt die Frankfurter Buchmesse mit einem Ehrengast-Auftritt Frankreichs. Vorab schon widmet sich der heutige Krimi-Service deshalb unserem Nachbarland. Ingrid Müller-Münch, frisch aus dem Urlaub zurück, ist in ihrer südfranzösischen Lieblings-Buchhandlung auf zwei besondere Sommerhits gestoßen: Der erste, eine gnadenlos düstere Treibjagd voll politischer Brisanz. Der zweite ein korsisches Clan-Gewirr, das nichts so sein lässt, wie es scheint.

Antonin Varenne: „Die Treibjagd“, Penguin-Verlag, 10 Euro, 2017, Übersetzung aus dem Französischen Susanne Röckel/ Nicht auf Frankfurter Buchmesse

Das einsam gelegene Dorf R. liegt mitten in Frankreich. Im Central Massif, dort, wo Revierjäger Rémi Parrot versucht, verkrustete Strukturen aufzubrechen, das Leben lebenswerter zu machen. Doch er kämpft gegen Windmühlenflügel. Denn die beiden reichsten Familien des Ortes, die Courbiers und die Messenets, sind seit ewigen Zeiten verfeindet, ringen sich gegenseitig das Land ab, trauen sich nicht über den Weg. Während R. verkommt, die Armut die Hügel hochriecht.

Rémi Parrots Familie wurde einst von den Messenets  übers Ohr gehauen wurden. Ihm selbst als Erben blieb nur ein Stückchen Land, auf das er ein Blockhaus setzte. Dort haust er nun, dieser scheue Gesell, den einst die Schraube eines Mähdreschers das Gesicht zerstörte und den alle anglotzen, wo immer er auch hinkommt. Seine Liebe gehört nun ausgerechnet Michèle, eine Messenets, über die es immer hieß, sie sei zu schön für diesen Ort. Michèle ist vor 8 Jahren einfach abgehaufen, und als sie nun unerwartet zurück kommt, in dieses Gottverdammt verlassene Nest, da kochen die Emotionen hoch. Während Rémi versucht, sich und seine Freunde vor den brutalen Attacken des arroganten Messenets-Clans zu schützen, kommt er erst einem Mord und dann einem abgefeimten Umweltskandal auf die Spur. Damit wäre sein Leben eigentlich besiegelt. Die Raufbolde und Trinker, die Muskelprotze mit der großen Klappe lauern ihm auf. Doch an seiner Stelle trifft es seine Freunde und Weggefährten.

Tolles, super konstruiertes, abgefeimtes Krimitheater. Varenne ist in Frankreich längst schon ein Star. Er sollte es auch auf dem deutschen Krimimarkt werden.

 

Michel Bussi: „Fremde Tochter“, Rütten&Loening, 15/9/2017, 14,99, Übersetzung aus dem Französischen Eliane Hagedorn und Barbara Reitz, (Frfurter Buchmesse)

27 Jahre hat es gedauert, bis Chlothilde es wagte, in die Heimat ihres Vaters zurückzukehren. Nach Korsika. Dorthin, wo ihre Familie einen großen Namen hat. Ihr Großvater ein mächtiger Mann ist. Wo sie im Sommer 1989 einen Autounfall überlebte. Schwer traumatisiert hat sie Korsika seitdem gemieden. Doch jetzt traut sie sich, gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer pubertierenden Tochter. Und erlebt den Horror pur. Denn das erste, was sie aus der Bahn wirft, ist eine Nachricht, die sie eindeutig als von ihrer Mutter stammend identifiziert. Doch Palma Mama, wie sie sie nannte, starb – als damals das von ihrem Vater gesteuerte Auto die Klippen runterstürzte – wie alle in dem Auto, außer ihr. Wie also kann es sein, dass ihre Mutter ihr schreibt? Immer wieder. Während Chlothilde sich auf die Suche nach der Wahrheit über das macht, was damals geschah, erfährt der Leser so nach und nach wie sich die letzten Tage vor dem tragischen Unglück vor 27 Jahren zu einem Drama hochschaukelten. Das Tagebuch der damals 15 jährigen Chlothilde wird immer wieder eingeblendet. Die Geschichte ist aus damaliger und heutiger Sicht erzählt. Und so langsam nehmen die Gestalten Form an, die seinerzeit bis zum Unfalltag agierten und die heute noch immer dageblieben sind. 27 Jahre nach dem tragischen Geschehen. Plötzlich stellt sich der Sturz des von ihrem Vaters gelenkten Autos über die Klippen ganz anders da, als sie ihn in Erinnerung hat. Chlothilde will es wissen, stellt sich der Wahrheit, die weitere Tote, weitere Morde nach sich zieht. Wer Bussis geheimnisvoll sich entwickelnde Krimis liebt, der ist hier richtig. In Frankreich jedenfalls war „Fremde Tochter“ „Le temps est assassin“ ein echter Sommerhit 2017.