Die anderen Reichen, Frankfurter Rundschau, 25.9.09, Reportage

Eine Gruppe Wohlhabender sagt: Wir sind vermögend, besteuert uns. Noch ist ihr Ruf nicht erhört worden. 

Vom Reichsein und vom Abgebenkönnen

Dies ist keine Gegend für Revolutionäre. Hier, in einem Berliner Vorstadtviertel, hat sich gutsituiertes Bürgertum niedergelassen, regieren Langeweile und Rasenmäher. Doch den Mann, der Parterre hinter der Fassade eines von gemütlichem Patina umhegten Jugendstilhauses wohnt, könnte man gut und gerne als Revolutionär bezeichnen. Einer von den Stillen, die nicht viel Aufhebens machen. Und die dennoch am liebsten die Welt aus den Angeln heben würden.

Dieter Lehmkuhl, der erst seit kurzem pensionierte Arzt, Psychiater und Psychotherapeut, ist reich, sehr reich. Dennoch lebt er weiterhin in diesem Vorstadtviertel. Das Haus teilt er sich mit Freunden, der Garten wird gemeinsam genutzt. All das bietet ihm mehr Lebensqualität als ein feudales Einfamilienhaus in einem noblen Villenviertel.

Auch Bruno Haas hat sich eine eher schlichte aber für ihn überaus passende Lebensnische geschaffen.  Wer den 32-jährigen Doktor der Philosophie, Erbe eines Chemieunternehmens,  in seiner saloppen Altbauwohnung in Berlin-Mitte besucht, könnte ihn auf den ersten Blick für einen von Bafög lebenden Studenten halten. So einfach wirkt hier alles, so wenig Wert wird auf Besitztum und Äußerlichkeiten gelegt.

Beiden ist gemeinsam, dass sie trotz ihres Reichtums, bescheiden geblieben sind, bescheiden leben. „There is enough for everybodys need, but not enough for everybodys greed“, zitiert Lehmkuhl Mahatma Gandhi und meint, dieses Zitat  beschreibe seine Lebenseinstellung.

Lehmkuhl und Haas sind reich, aber nicht gierig. Und da sie ihr Vermögen umverteilen wollen, ja dafür plädieren, dass andere Reiche es ihnen gleich tun, engagieren sie sich in einer Initiative, die ein ganz besonderes Anliegen hat: Reiche, so fordern sie, sollen wieder eine Vermögensabgabe zahlen. Eine prozentuale Steuer auf ihren Reichtum, wie es sie bis 1997 in Deutschland schon einmal gab. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung der Vermögenssteuererhebung gerügt. Seitdem scheiterte die Umsetzung der neuen Auflagen am Widerstand vor allem aus den Reihen von CDU und FDP.

Bruno Haas, Koordinator der Initiative „Vermögender für eine Vermögensabgabe“, erklärt, dass die Unterzeichner die entstandene Lücke wieder schließen wollen und fordern, alle Besitzer eines Vermögens über 500.000 Euro sollen in den Jahren 2009 und 2010 jeweils 5 % an den Staat abführen. Das hierdurch eingenommene Geld müsste dann allerdings nicht einfach zum Decken von Haushaltslöchern genutzt werden. Sondern zweckgebunden, „in Bildung investiert werden, um HartzIV-Sätze anzuheben, für ein ökologisches Konjunkturpaket, das Beschäftigung schafft.“

Erstunterzeichner des Appells „Vermögender für eine Vermögensabgabe“ waren 21 Reiche. „Inzwischen sind wir 35“, freut sich Lehmkuhl.  Allesamt reiche Unternehmer, Erben.  So wie die 60jährige Studienrätin, die gerne anonym bleiben will.  Als sie vor einigen Jahren ihr Erbe antrat, wunderte sie sich darüber,  wie wenig der Staat ihr an Erbschaftssteuer hierfür abverlangte.  Sie empfand das „schon als ne Ungerechtigkeit.“ Und da sie der Meinung ist, ohne dass es ihr wehtut etwas von ihrem Reichtum abgeben zu können, engagiert auch sie sich in der Initiative „Vermögender für eine Vermögensabgabe“.

 

„Natürlich gibt es Gewerkschaften, die ähnliche Forderungen erheben wie wir“, räumt Bruno Haas ein. „Wir sind ja gerade mal 35 Personen. Doch das Besondere bei uns ist, dass wir selbst vermögend sind. Und ich glaube, das ist schon ein Schritt, der viele aufhorchen lässt.“ Bruno Haas kennt die Vermögensverhältnisse der einzelnen Unterzeichner nicht. „ Also da gibt es Reiche und sehr Reiche“, sagt er. Auch wenn wohl keiner von denen dabei ist, „die auf der Liste der 100 Reichsten stehen“.

35 Leute, die eine Vermögensabgabe zahlen würden, „das bringt‘s natürlich gar nichts“, weiß Peter Vollmer. Erst wenn diese Abgabe flächendeckend für alle Vermögenden gilt, dann  „sind es Größenordnungen von 20 Milliarden. Geld, dass der Staat dringend braucht.“ Vollmer hat eigentlich nie von seinem Erbe gelebt, Nach einer Druckerlehre im väterlichen Betrieb, den er später erbte, studierte er Architektur und Stadtplanung. Doch dann 1968 entschied er sich im Verlauf der Studentenbewegung in einem Betrieb zu arbeiten. Von da an jobbte er als Dreher oder Verseiler in Westberliner Großbetrieben, bei Siemens, Solex, oder BMW. Engagierte sich im Betriebsrat. Immer mit seinem Vermögen auf dem Konto. „Und dieses Geld habe ich in den ersten Jahren wo ich gearbeitet habe, nicht ausgegeben. War auch nicht notwendig. Ich hab als Angelernter oder als Facharbeiter  gut verdient. Meine Frau ist Lehrerin und mit diesen beiden Einkommen konnten wir gut über die Runden kommen.“

 

Für Peter Vollmer wurde die Initiative genau zu einem Zeitpunkt ins Leben gerufen, „wo auf der einen Seite unheimlich viel soziale Leistungen gekürzt werden, und wo es den einfachen Leuten und HartzIV-Empfängern ganz schön schlecht geht.“ Wo aber auch, so beklagt er, auf der anderen Seite Milliarden ausgegeben werden, um die Banken zu stützen. Was ihn ärgert ist, dass die Lasten der Krise „von den Steuergeldern aller Menschen gezahlt werden. Das kann ja wohl nicht gerecht sein.“ Er findet es konsequent und richtig, dass Leute wie er den Staat dazu auffordern,  gezielt die Reichen stärker zur Kasse zu bitten.

 

Dass manch einer ihn und seinesgleichen als Spinner abtut, damit kann Vollmer gut leben.   Oft bekommt er zu hören: „Mensch, wenn du willst, kannst  es ja machen. Kannst es ja verschenken. Aber warum sollen das alle machen?“ Dieter Lehmkuhl ärgert sich allerding schon,  dass vonseiten der Politik so verhalten auf ihre Initiative reagiert wird. Doch inzwischen, darauf verweist er gerne, fordert auch  das deutsche Institut für Wirtschaft in einer Studie  eine stärkere Besteuerung der Reichen in der jetzigen Krise. „Also wir merken, dass die Diskussion jetzt schon Fahrt aufnimmt. „

 

Die Unterzeichner  des Appells sind von der „Horrorvorstellung“ motiviert, dass, sollte die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergehen,  „man ´seine Wohnung oder gar sein Wohnviertel vor Übergriffen schützen muss, man sich nicht mehr frei bewegen kann in der Stadt“, erklärt die Ex-Lehrerin, deren Namen der Redaktion bekannt ist. Bruno Haas empfindet jetzt schon die die Entwicklung auch in Deutschland hin zu sogenannten „Gated Communities“, also durch Video und Body-Guards geschützten Wohnvierteln, als besonders „krass. Mir wäre es ein Graus, so leben zu müssen.“ Und auch Dieter Lehmkuhl befürchtet, dass bei einem sich verstärkenden „Reichtumsgefälle, Reiche mehr und mehr angefeindet werden. Und dass wir Sicherheitsprobleme kriegen, weils die Gesellschaft spaltet.“

Bruno Haas ist durch die Reisen, die er als Kind mit seinen Eltern unternahm für die Armut anderer sensibilisiert worden. Seine Eltern gingen damals mit den Kindern weder auf Kreuzfahrt noch auf Safari, sondern besuchten zum Beispiel ein Kindermädchen, das aus einem lateinamerikanischen Land kam. „Ich glaube, das, was ich da erlebte, hat mit eine Rolle gespielt, wenn ich jetzt ein bisschen anders denke. Weil ich jetzt, trotz meines Vermögens, Kontakt versuche zu halten zu Menschen, die viel weniger haben als ich.“

 

Er lebt zufrieden in seiner bescheidenen Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Mitte. Nein, vom Kauf einer karibischen Insel oder einem großen Limousinen-Wagenpark träumt er wirklich nicht. Auch wenn er sie sich leisten könnte.  Schon als Philosophiestudent hat er sich mit der Frage beschäftigt, ob man eigentlich, wenn die Grundbedürfnisse einmal gedeckt sind, „mit einem Mehr an Luxusgütern glücklicher wird.“ In seiner Doktorarbeit hat er dies verneint und ist zu dem Schluss gekommen:  Das Wichtigste, was man braucht zum Glücklichwerden, sind andere Menschen, mit denen man auf Augenhöhe zusammenlebt. „Und das kann man sich nicht kaufen.“