Die Deutschen – von außen betrachtet

WDR5, OASE, 10 Minuten, 21.5.2011, Redaktion Dr. Ingrid König

Was ist typisch deutsch? Gibt es so etwas überhaupt? Und wenn ja, ist es liebenswert oder abstoßend? Kann man sich als Zugezogener aus einer anderen Kultur hieran gewöhnen? Oder stößt es einem immer wieder auf? Ingrid Müller Münch hat sich auf die Suche nach Antworten begeben und ist dabei auf Klischees aber auch auf Überraschendes gestoßen.

Atmo Musik Internationale Klänge

O-Ton-DA MercedesPeru 666/1:01: Ja, der erste Eindruck. Ich habe gesehen, dass die Deutschen so pünktlich sind, aber ein bisschen kalt auch.

O-Ton-DA Jan d’Albert/Marokko 333/14:54: Also die Deutschen sind ein fleißiges Volk.

O-Ton-DA MercedesPeru 666/3:50: Zum Bespiel, die lachen nicht einfach. Die sind ein bisschen seriös, kann man sagen.

O-Ton-DA Tok/Türkei 999/9:31: Türken sind halt schon so warmherzige Menschen. Die sind flexibler in Gefühlen, sozusagen. Und wenn irgendwas nicht klappt, dann ist es auch egal.

O-Ton-DA NadineRuanda 222/12:48: Es gibt Situationen, die ich seltsam finde. Zum Beispiel, wenn man in der Bahn ist und dann steigen ältere Menschen ein. Dass keiner Platz macht. Weil in Ruanda hat man immer Respekt vor Älteren.

O-Ton-DA Paulo/Brasilien 999/11:03: Erstens sind die vorsichtig, sehr vorsichtig. Wir ist egal, wir sofort hallo, wie geht. Wir sind Freund. Ein Fehler oder kein Fehler? Das ist nur eine Art zu sein. Und deutsch erst das, gucken, prüfen, dann geben die Hand.

O-Ton-DA MercedesPeru 666/ 2:20: Die Deutsche, die halten zurück. Aber wenn Freundschaft ist, die sind Freund. Das hat auch mir gut gefallen.

Atmo Musik Internationale Klänge

 

 

O-Ton-DA Bönig 777/020: Ja, klar. Die Punkte mit der deutschen Pünktlichkeit und Ordnung, die hört man natürlich überall. Aber ich denk, das ist einfach ein Vorurteil. Das kennt ja jeder aus seiner Familie oder aus seinem Bekanntenkreis, der eine ist pünktlich, der andre nicht. Der eine ist ordentlich, der andre nicht. Und das spiegelt auch so die gesellschaftliche Realität  wider.

Autorin: Thomas Bönig hatte als Weltbürger und  Reisender zwischen den Kontinenten die Idee für den sogenannten „Kulturklüngel“, eine Art Stadtreiseagentur, auf deren Routen man das türkische, das indische, das afrikanische, asiatische oder auch persische Köln kennen lernen kann. Dass  wir Deutsche immer noch als in erster Linie ordentlich, pünktlich und fleißig wahrgenommen werden – für ihn nicht mehr als eingeschliffene Klischees.

O-Ton-DA Bönig 777/2:50:. Also, diese Stereotypen, die man eigentlich denkt und mitbringt, gelten an und für sich gar nicht mehr hier. Man lebt in verschiedenen Kulturkreisen. Wenn ich bei der Arbeit bin, hab ich einen bestimmten kulturellen Kontext, in dem ich Arrangements, Verabredungen und Verpflichtungen eingehe.  Wenn ich abends zum Kampfsporttraining geh, z.B., herrscht dort ein ganz anderer Jargon und ne ganz andere Umgangsform. Wenn ich meine Religionsgemeinschaft besuche, dann ist es wieder was Neues. Das hat nichts mehr mit Nationen oder nationalen Grenzen zu tun.  Sondern, das ist was ganz dynamisches, gesellschaftliches Phänomen, in dem wir uns jetzt heute befinden. Deswegen sind die Klischees oder die Bilder schon längst veraltet und vielleicht nur ne Starthilfe zur Kommunikation.

Autorin: Nadina Schwarzbeck, Journalistin und Stadtführerin, vor 32 Jahren in Ruanda geboren, ihr Vater ist Deutscher, die Mutter Afrikanerin fühlt sich wohl in Deutschland. Aber bestimmte Verhaltensweisen stoßen ihr auch nach 23 Jahren noch immer auf:

O-TonDA NadinaRuanda 222/13:00: Ja, was Gastfreundschaft anbetrifft. Jetzt am Wochenende werde ich Besuch haben, ich weiß nicht, ob sechs Leute kommen oder zehn Leute, das ist mir egal. Aber bei einigen Freunden merk ich einfach, dass es total wichtig ist, genau zu sagen, wie viele Leute kommen. 222/21:19 Ich erinner mich, das war auch noch, als ich studiert habe. Ich war eingeladen und habe Freunde mitgebracht. Und das war eine Riesenkatastrophe. Also, weil ich fünf Freunde mitgebracht habe, vorher, glaube ich, nicht Bescheid gesagt hatte. Das ging überhaupt nicht. Die Freundin war total sauer auf mich. Das Komische war nur, dass ich sie auch schon öfters wo anders mitgenommen hatte. Und deswegen dachte ich, sie ist da locker.  Aber als ich dann Leute auf ihre Feier mitgebracht habe, war sie überhaupt nicht glücklich darüber. Und wir hatten richtig, richtig Ärger deswegen. Und das fand ich seltsam,  weil sie wusste, wenn sie zu mir kommt, kann sie auch mal Leute mitbringen. Das sind so Sachen, die find ich manchmal kleinkarriert.

Atmo Musik

 

O-Ton-Da NadinaRuanda 222/13:00 Oder auch, dass man es mit der Rechnung beim Essen ganz genau nimmt. In Ruanda schmeißen wir einfach alle zusammen. Jeder gibt das, was er geben kann. Ja, das sind so Sachen, die ich manchmal seltsam finde.

Autorin: So sehr Thomas Bönig als Reiseorganisator selbst auf verbindliche und genaue Absprachen angewiesen ist – dass Deutsche im Ausland pingelig und geizig wirken, hat er selbst erfahren:

O-Ton-DA-Boenig 222/6:03 Zum Beispiel bin ich als Reiseleiter in Vietnam tätig. Und mein vietnamesischer Kollege erwartet nach einer 30-tägigen Tour auch ein entsprechendes Trinkgeld. Das ist im Tourismus einfach so üblich. Die US-Amerikaner sind´s gewohnt, dass sie in jedem Hotelzimmer einen $ liegen lassen. Die deutsche Gruppe rechnet dann erst mal aus, wie viele Tage derjenige dabei war, wie er seine Arbeit gemacht hat. Und daraus errechnet sich dann ein angemessenes Trinkgeld. Und dabei sollte eigentlich die asiatische Mentalität angenommen werden. Die heißt: je mehr du bezahlst, umso mehr wirst du verwöhnt. Und je mehr du den anderen glücklich machst und wenn das auch nur auf ner finanziellen Ebene ist, um so mehr Respekt und Achtung wird dir entgegen gebracht. Und das macht mir dann die Arbeit für die Zukunft leichter. Ist aber leider nicht immer so.

O-Ton DA NadinaRuanda 222/20:26 Ein Beispiel ist auch, ne Kollegin hatte mir mal nen Euro geliehen. Für nen Kaffee. Und dann kam sie wirklich zwei Tage später an und meinte, ich krieg noch einen Euro von dir. Da hab ich nur gedacht, ok, ich hätte ja auch nen Kaffee ausgegeben. Also, das sind so Sachen, da denk ich nur so, naja, muss das sein. Das ist spießig. ha, ha, ha.

Atmo Musik Peruanisch

O-Ton MercedesPeru 666/2:52 Ich war in Italien. Und dann haben wir  überlegen mit eine Freundin, oder nach Deutschland oder Spanien fliegen. Aber in Deutschland haben immer gewusst  oder geglaubt, dass die Deutsche sehr rassistisch sind. Weil  in Peru, wir haben nur gesehen, Deutschland, Hitler, wir haben immer, immer diese Geschichte gehört. Und natürlich wir hatten Angst. Aber, da wir sind nach Deutschland gekommen, und das war total anders.

Autorin: Mercedes Adele  führt in der Kölner Innenstadt einen kleinen Laden mit Spezialitäten aus ihrer peruanischen Heimat.

O-Ton MercedesPeru 666/9:26 Das ist auch eine Punkt, das mich gefallen. Die Deutsche probieren alles. Die Italiener, die probieren nicht. Aber die Deutschen probieren alles.

Autorin: An deutsche Spezialitäten wie Eisbein mit Sauerkraut oder Sauerbraten mit Rotkohl hat sie selbst sich allerdings auch nur zögernd herangetraut.

O-TonDA Mercedesperu 666/7:57  Schmeckt nicht so schlecht, aber für mich ist nicht richtige Essen. ha, ha, ha,  8:22 Ehrlich zu sagen, kenn ich nicht viel ha, ha, ha, außer diese Bratwurst.  Ach so, das ist eine gute Essen. Das hat ein deutscher Freund gekocht. Das ist diese gebratene Reh mit Spätzle.   Reh, mit Spätzle. Das war super lecker. Mit Sauce. Hat selber die Nudeln auch gemacht. Das war super, super lecker.

Autorin: Und dem sturen deutschen Amtsschimmel ist sie auch schon begegnet:

O-TonDAMercedesperu: 666/10:42 Nicht flexibel. Es gibt Sachen, das kann man nicht machen. z.B. diese Pfand für die Dose. Meine Getränke sind ausländische Getränke. Und die Ordungsamt wollten, dass wir dieses Pfand haben. Und ich bin ein Kleingeschäft und für mich war´s so schwer, aber am Ende sie haben mich gelassen. Aber die waren so streng. Und diese, solche Sachen manchmal kann man nicht einfach machen.

Atmo Musik Peruanisch

 

Autorin: Jan d’Albert, Musiker, kommt aus Bayern. Er ist mit einer Marokkanerin verheiratet, zum Islam konvertiert.

 

O-Ton DA Jan d’Albert 333/4:33: Wenn ich mit meiner Familie durch die Straßen gehe und meine Frau trägt ja Kopftuch. Und meine Kinder sehen dann auch so südländisch aus. Und jetzt z.B. bei der Einschulung von meinem ältesten Sohn, hieß es dann von der Schuldirektorin, ja, aber sie müssen sich integrieren. Das war der erste Satz. Dabei sind wir ja Deutsche. Selbst meine Frau hat jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Und dieses Nichtangenommenwerden, das stört mich vor allem an den Deutschen. Und dieses keine fremden Kulturen oder nix Neuartiges erst mal auch zu schmecken oder ausprobieren zu wollen. Das find ich schon sehr hart.

Atmo Musik Tanzmusik aus Studio  Paulo

Autorin: Der gebürtige Brasilianer Paulo Franco leitet in  Köln ein Tanzstudio. Soydan Tok kommt aus der Türkei und hat bei Paulo Franco Popping tanzen gelernt, eine Art Roboter-Tanz, eine Variante des Hip-Hops. Beide sind überzeugt, dass Deutsche schon sehr viel von Zugezogenen aus fernen Ländern übernommen haben aber noch sehr viel mehr von ihnen lernen könnten. So wie das aber auch umgekehrt funktioniert.

O-Ton DA Paulo 999/12:13 Brasilianer können von Deutsche lernen: Organisation. Und Deutsche von Brasilianer: Improvisieren müssen, ohne Kopfschmerz zu haben.

Tok: Disziplin was die Deutschen haben können wir lernen.

Pauolo 999/18:28: Eine Sache, die bei deutsch sehr gefällt. Wenn deutsch wirklich lernen will, dann lernen. Aber wenn deutsch nicht lernen will, kann vergessen, geh nach Haus.

O-Ton Da MercedesPeru 666/4:20 Von uns, die können lernen, wir machen Spaß mit alles. Wir komplizieren nicht viel, zum Beispiel, wir sind spontan. Wir planieren nicht viel. Und das ist auch gut, weil wir leben nicht mit viel Stress. Zum Beispiel, wenn Urlaub machen, die planieren alles. Ein Hotel, usw. Aber wir nicht. Wir reisen einfach und da suchen ein Hotel. Oder wir gehen zu ein Party einfach so. Und vielleicht bleiben wir da zu schlafen. Wir brauchen nicht eine große oder unsere Bett zum Beispiel.

O-Ton-DA Paulo 999/22:15: Wir sagen so. Die Deutsche werden mehr locker und Ausländern werden organisiert. Gute Mischung.

Atmo Musik

Hier schon Schluss? –Karneval ist wieder so Kölnbezogen… Oder anders?

Autorin: Was also ist nun typisch deutsch?

O-Ton-DA NadineRuanda 222/18:56: Typisch deutsch? Schwierig. Ich kann ja nicht sagen, irgendwie Dirndl und Bier. Aber vielleicht sowas wie Karneval. Aber Karneval gibt’s ja auch in Rio. Ich weiß es nicht. Ich finde die Frage schwierig.

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