Die globalisierte Familie / WDR5 / Neugier genügt / 18. Min. Feature / 24.5.2011

Redaktion Dr. Ingrid König

Um Bruder oder Schwester zu sehen, Vater oder Mutter zu treffen, müssen immer mehr Menschen ins Flugzeug steigen und um die halbe Welt jetten. Familien leben heutzutage nicht mehr zwangsläufig in der gleichen Stadt,  die neuen Wohnorte liegen in Australien oder China. Gemeinsame Weihnachtsfeste oder Geburtstagsfeiern finden deshalb nur selten statt. Dennoch haben sie sich nicht aus den Augen verloren, verstehen  sich durchaus  als Familie. Ingrid Müller-Münch sprach mit vier Personen, die für eine herzliche Umarmung ihrer Angehörigen einmal um die halbe Welt reisen müssen.

Atmo Musik

 

O-Ton Evelyn 2 000 Ich habe eine Tochter, die lebt in China.

O-Ton-Nina 1 Mein Name ist Nina Rose. Ich bin 35 Jahre alt, Regisseurin. Hab in Köln studiert und in New York. 1: 0:46 Mein Freund und der Vater meiner Tochter, wir hatten ne Fernbeziehung. Ich war in Berlin und er in Moskau. Und dann hatte er aber ein Angebot für erstmal nur ein halbes Jahr, nach Shanghai zu gehen. Und dann hab ich gedacht, ich geh für vier Monate mit, weil ich das unheimlich spannend fand.  Ja, und aus diesen vier Monaten wurde halt immer noch ein halbes Jahr. Also es hat sich so stückchenweise verlängert. Ja, und jetzt sind´s fast drei Jahre.

O-Ton Evelyn
3-4:18 Man muss natürlich auch als Mutter vorsichtig sein oder als Eltern, dass man nicht zu viel anruft. Und nervt, eigentlich. Also, erst mal sanft nachfragen. Wo bist du? Oder störe ich?  Aber, was mich gewundert hat, ist, dass meine Tochter sich gefreut hat.  Wir hatten hier auch manchmal Befindlichkeitsstörungen. Wie das manchmal bei Mutter und Tochter ist , und das wir uss durch die Ferne und den Kontakt eigentlich wieder viel näher gekommen sind.

 

O-Ton Nina1-  2:31 Die Entfernung zu überbrücken ist schon schwer. Ich bin jemand, der auch immer sehr da ist, wo er ist. Ich bin nicht gut im Freundschafts-aufrecht-erhalten. Ich schreib kaum, beantworte keine e-Mails wirklich. Ich mach dann Impulsanrufe. Weil ich auf einmal jemand vermisse. Und ruf dann mitten in der Nacht an. Aber so diesen täglichen Kontakt zu halten, fällt mir persönlich ein bisschen schwer.

 

O-Ton Wolfgang 2 – 13:08  Von der Emotion her ist mir Christiane auf der anderen Seite der Welt nicht weiter entfernt als mein Sohn, der um die Ecke wohnt.   

 

O-Ton Alexander 2:22  Also ich war in meinem Leben vielleicht dreizehn, vierzehnmal mal in Australien. Was ja eigentlich so der Vorteil davon war, find ich. Weil, die langen Reisen und so, das fand ich immer schön.  6:58  Aber was meine Mutter angeht,  klar, die hätte ich schon gerne manchmal etwas näher.  9:47 Sie war ja nicht aus der Welt. Aber sie war nicht mehr da für die Alltagsprobleme. 10:21

Atmo Musik hochziehen und erstmal Schluss

Autorin:

Wolfgang Hollmer muss halb um die Welt jetten, will er seine älteste Tochter Christiane besuchen, die zunächst in Australien, inzwischen dauerhaft  in Neuseeland lebt. Alexander Hollmer,  sein ebenso wie er in Köln wohnender Sohn, musste schon als Achtjähriger auf die Mutter verzichten, die zurück in ihre Heimat Australien ging. Evelyn Rose-Thalheims Tochter Nina ist mehr oder weniger zufällig in Shanghai gelandet. Sie alle stehen dennoch in engem Kontakt mit ihren Angehörigen. Nina, Evelyns Tochter, erinnert sich an Momente, in denen sie sich besonders nach Zuhause sehnte:

O-Ton Nina 1: 11:17 Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin. Da wollte ich irgendwie gerne zurück. Aber das war in dem Entscheidungsprozess für uns, ob wir zurückgehen und ob ich das Kind in Deutschland bekomme, was so mein erster Instinkt war. Dann war´s auf einmal vorbei mit lustigem Entdeckertum. Wo ich dachte, jetzt reicht´s. Also ich krieg jetzt ein Kind. Jetzt hab ich keine Lust hier in Shanghai zu sitzen. Beruflich von meinem Freund, wär das schwierig gewesen. Und dann ham wir uns halt zusammen entschieden, da zu bleiben. Und in dieser Entscheidungsphase, hab ich sie schon ein bisschen vermisst. Nicht nur meine Eltern, sondern auch Deutschland. Meine Freunde, einfach zuhause. Da hatte ich auf einmal keine Lust in diesem Stadium, mit den Hormonschwankungen, mich auf ne fremde Kultur einzulassen. Das fand ich sehr mühsam in den Monaten.

O-Ton-Evelyn 3: 7:32 Der Schock war für mich, als Nina schwanger wurde. Also ……,dass mein Enkelkind in Shanghai auf die Welt kommt….. Also, das ging mir dann doch etwas zu weit.  Und irgendwie, so weit von zuhause oder von den Wurzeln, oder von Vertrauten und Freunden….. Nicht nur Eltern….. Das war schon, ja, bemerkenswert.

Autorin: Doch dann hat Evelyn eine Lösung gefunden:

O-Ton Evelyn 3 -1:03 Den Kontakt haben wir gehalten über´s Telefon. Also, es gibt ja heute Skype. Wo ich das nicht so gerne mag. Vor dem Computer zu sitzen, zu ner bestimmten Zeit. Also,  das hab ich, glaub ich, dreimal gemacht. Aber dann hab ich ne tolle Sache entdeckt. Und zwar wollte ich irgendwann mal Druckertinte kaufen, bei so einem Kiosk. Das sind so Araber. Ja und da war vor mir so ein Kosovoalbaner. Und, die unterhielten sich über Simkarten und wie man am billigsten mit dem Handy und Telefon in den Ostblock telefonieren konnte. Und dann hab ich den Araber  gefragt, ob das auch für China gilt. Und das gibt es. Und dann hab ich mir auch so ne Simkarte gekauft. Und jetzt haben wir ein Chinahandy und telefonieren für 4,9 Cent, von Handy zu Handy nach China.  2:32 Was sogar preiswerter ist, als hier mit dem Handy zu telefonieren.

 

Atmo Musik

 

O.Ton Wolfgang 1- 0:22 Mein Name ist Wolfgang Holmer. Habe drei Kinder. Zwei Kinder aus erster Ehe mit einer Australierin. Und ein drittes Kind mit einer Italienerin. 1:01 Die Älteste ist nach ihrem Abitur nach Italien gegangen. Auf eine kleine Insel. Hat dort sechs Jahre gelebt. Mit Freund. Italienisch gelernt. Gelegenheitsjobs gemacht. Und ist dann zu ihrer Mutter, die mittlerweile nach Australien zurückgekehrt war. Und hat dann ihre Liebe zu Neuseeland entdeckt. Und lebt heute  in der Nähe von Lyttelton, der Hafenstadt von Christchurch.

O-Ton Alexander: 0 Ich bin der Alexander Hollmer. Ich bin in Köln geboren, 1972.   1:00 Also mein Vater lebt Luftlinie 100 m entfernt. Und meine Mutter lebt in Perth Westaustralien. Die is damals nach Deutschland gekommen. Sie ist ursprünglich da her. Und hat hier meinen Vater geheiratet. Und ist dann nach Scheidung nach Australien zurück gegangen. 1:57. Ich hatte die Entscheidung mit zu gehen oder halt in Köln zu bleiben. Und hatte damals, weil ich gerade auf der Grundschule war, meinen Freundeskreis und hab mich dann damals eigentlich mehr hier hin gezogen gefühlt. Angst vor Neuem und mein Vater wollte auch, dass wir bleiben. Und dann haben wir uns damals beide dafür entschieden hier zu bleiben.

O-Ton-Wolfgang:2 – 8:09 Wir haben da sehr lange drüber gesprochen. Sie hat die Kinder gefragt, ob sie denn mit wollten, nach Australien. Und sie hat den Wunsch der Kinder hierzubleiben akzeptiert.

Autorin: Zu der Zeit war Alexander gerade mal acht Jahre alt, seine Schwester Christiane drei Jahre älter.

 

O-ton-Alexander 2:42 Ich kann mich eigentlich nicht so sehr daran erinnern, dass ich wirklich gelitten hätte. Aber, ja, ich glaub schon, dass ich sie vermisst habe. ja. 2:56 Wir haben telefoniert. Bloß damals war es noch sehr teuer. Da hat man glaub ich so ungefähr 3 DM/Min. zahlen müssen. Oder sogar noch mehr. Und, na ja, wir  ham uns geschrieben und sind halt alle zwei Jahre ungefähr dort gewesen.

O.Ton-Wolfgang: Ich hab sie dann groß gezogen. Ich hatte das Glück einen Arbeitgeber zu haben, der mir sofort in Form eines Drei-Tage-Arbeitsvertrages das ermöglicht hat. 10:15 Ein übers andere Jahr ist jeder mal nach Perth gereist und hatte so den Kontakt.

Autorin: Wolfgang Hollmer ist ein alter Globetrotter, hat als junger Mann jahrelang die Welt bereist. Nur damals war das längst noch nicht selbstverständlich.

O-Ton-Wolfgang 2: 5:24 Meine Eltern waren so fortschrittlich, dass sie mich sehr früh haben reisen lassen. Aber ich musste immer wieder kommen. Ich durfte mit 14 Jahren bereits per Anhalter nach Italien fahren. Was ja ne außergewöhnliche Sache ist, zu der auch von den Eltern sehr  viel Mut und sehr viel Toleranz gehört .Und als ich  dann zwei Jahre unterwegs war und in Perth meine spätere Frau kennenlernte, und sie in den Briefen so das Gefühl hatten, oh, der bleibt jetzt da, da wurde Druck gemacht. Da bekam ich also Briefe, ich bringe mich um, wenn du da bleibst. Wenn du jetzt da heiratest. Meine Mutter hat da sehr großen Druck gemacht.

Autorin. Druck zu machen ist Wolfgang Hollmer im Umgang mit seiner in Neuseeland lebenden Tochter Christiane gänzlich fremd.

O-Ton-Wolfgang 2: 3:39  Wir telefonieren sehr oft. Wir skypen. Obwohl ich das nicht so besonders beherrsche. Aber da hilft mir meine jüngere Tochter. Aber wir senden e-Mails. Und wenn wir telefonieren, da ist es schon mal passiert, dass ich gesagt habe, wenn sich der Alexander mal bei dir meldet, dann grüß ihn von mir.  4:16 Das muss ich jetzt erklären: Alexander wohnt ein Straßenblock weiter. Drei Minuten Distanz zu Fuß. Ich telefoniere mit meiner Tochter in Neuseeland. Am anderen Ende der Welt. Und sage zu ihr, wenn der Alexander sich mal bei dir meldet, grüß ihn von mir. Da ist ja ne gewisse Aussage drin, dass sie mir oft näher ist, als mein Sohn, der um die Ecke wohnt.

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O-Ton Nina1: 18:39  Es ist schon weit. Ich muss sagen, ich empfinde es als sehr sehr weit. Komischerweise. Wahrscheinlich, weils einfach so anders ist. Weil man wirklich in einer andren Kultur ist. Weil  es so auffällig anders ist. Mit ihrem Kommunismus, ihrem Turbokapitalismus, dem Asiatischen an sich.  Also, das ist schon eine ganz schöne Bombe.

 

O-Ton Evelyn: 3: 3:20 Wenn ich anrufe, erwischte ich meine Tochter meistens im Taxi. Und dann frag ich immer, wo bist du gerade? Und dann sagt sie, ich bin im Taxi. Und dann hab ich irgendwann gesagt, musst du immer Taxi fahren? Eigentlich, aus meinem Verständnis von hier her. Und als ich dann selbst einmal dort war, für zwei Monate, saß ich auch immer im Taxi. Weil es einfach unglaublich angenehm und preiswert dort ist.

O-Ton Nina: 1 3:34 Meine Mutter hat mich besucht. Davor ham sie ´s natürlich nicht so richtig mitgekriegt. Weil man kann´s sich´s ja so doch nicht so richtig vorstellen. China oder Shanghai ist ja auch, wenn man nicht da war, war´s auch für mich vorher, man hat nicht so ein klares Bild. Wie modern ist es, wie kommunistisch ist es, wie altertümlich ist es, wie chaotisch ist es, so richtig vorstellen konnten sie es sich nicht. Hab manchmal so kleine Videos geschickt. Das fanden sie dann lustig.  Aber, so richtig nachempfinden, kann man´s glaub ich nicht.

O-Ton Evelyn: 3 6:50 Als ich sie da besucht hab, da hab ich das erst richtig begriffen, die erste Wohnung, die sie hatten, war richtig unter Chinesen. Und die meisten sprechen kein Englisch. Ich komme ganz gut mit Menschen klar, eigentlich, weil ich mich auf die einlasse. Egal wo ich bin. Aber da, das musste ich auch erst mal erfahren, dass die Chinesen  einfach anders ticken. Anders sozialisiert sind.

O-Ton-Nina:1: 7:20 Und weil meine Mutter auch ein sensibler Mensch dafür ist. Kann man sagen. Sie ist auch viel alleine rumgelaufen. Wo ich irgendwie stolz auf sie war. Ich dachte, ich müsste mehr auf sie aufpassen. Die war da sehr, sehr unabhängig. Und ist alleine rumgekurvt. Hat Fotos gemacht. Ist in alle Viertel gefahren. War ich schon stolz auf sie.

O-Ton Evelyn:3: 9:15 Ich wollte auch nicht unbedingt nach China. Also das hat mich bisher noch nicht gereizt. Ich wäre auch wahrscheinlich nicht dorthin gefahren. Jetzt möchte ich sofort wieder hinfahren. Weil´s spannend war. Einfach auch das eigene Weltbild sich gewandelt hat, dadurch. 13:23  Die Parks da in der Gegend. Es war für mich spannend zu erleben. Auch morgens, wenn die Tai Chi  machen und Schwerttanz. Hat etwas sehr Rührendes. Und, wenn diese jungen Berufstätigen zwischen 30 und 40 so abgehetzt joggend durch die Gegend  laufen, da denkst du, was ist denn jetzt mit denen los. Aber es ist alles sehr reguliert. Selbst die Natur ist noch frisiert wie in den 60-iger Jahren hier. Man sieht auch kein Stäubchen, kein irgendwas. Und das, das stört meine Tochter sehr. Und deshalb sind die beidendenn auch sechs Tage nach Tibet geflogen. In die Natur. Und ich bin da geblieben, mit dem Baby.

 

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Autorin: Durch ihr Leben in Shanghai hat Nina einen ganz neuen, kritischen Blick auf Deutschland bekommen. Was ihr besonders bei ihrem letzten Besuch in Köln im Frühjahr 2011 auffiel.

O-Ton-Nina: 1: 20:34 Also was mir hier  auf die Nerven geht, nach diesen vier Jahren, merke ich, diese Psychologisierung.  Mit meiner Tochter, auf dem Spielplatz, diese Gespräche finde ich manchmal sehr schwierig. Also dass dann Mütter fast zusammenbrechen, wenn irgendein Dinkelbrötchen nicht beim Bäcker ist und ganz verzweifelt sind, was das Kind jetzt essen soll. Da kann ich gar nicht hinhören. Ich werde diesen chinesischen Pragmatismus vermissen, der wirklich was unheimlich erfrischendes und positives hat. 1: 21:37 (Es geht einfach darum. dass du sehr viel ausprobierst. Es ist sehr viel learning by doing.  Also, da wird nicht lange geredet und philosophiert und geplant. Die machen´s einfach und fallen 8x auf die Fresse. Und stehen halt wieder auf. Und ham gesagt, ich hab´s versucht. Und auch Leute. die Erfolg hatten, die ne Firma haben, und es hat nicht geklappt, die stellen sich am nächsten Tag mit nem Wok an die Ecke und verkaufen Nudelsuppe. Natürlich ärgern die sich. Haben keinerlei psychische Schäden davon. Und sind genau so fröhlich und sagen Ok. morgen geht´s wieder aufwärts. Und ich arbeite schon am nächsten.) Und mit nem lustigen Humor auch dazu. Also einfach, diese unglaubliche Selbstbeschäftigung und Selbstanalyse, das gibt´s einfach nicht

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O.Ton-Nina 1: 27:08 Ich hab einfach ne chinesische Tagesmutter. Die halbtags da ist und die spricht ja nur chinesisch. Die erzieht die Kleine chinesisch.  Und da sind schon natürlich Differenzen. Oder es ist befremdlich auch für mich, wenn du nachhause kommst, und du hast da so ein kleines kommunistisches Regime.1: 27:40 Die sind einerseits sehr, sehr streng. Also die Kinder werden ja sehr gedrillt. Aber wirklich in diesem Auswendiglernen. Also unheimlich viel reingepumpt an Wissen und Verhaltensregeln. Und andrerseits verziehen sie sie ohne Punkt und Komma. Wo für deutsche Verhältnisse denkst, bescheuert.  Und das kriegst du natürlich nicht raus, auch aus ner Nanny nicht. Auch wenn die sehr lieb und lustig ist. Das sind dann eben deren Wurzeln. Und kannste ihr dreimal erklären. Dann macht´s sie´s auch. Aber sie macht es total halbherzig. Oder so ein bisschen linkisch. Weil sie eigentlich das ganz anders kennt. Und dann lass ich sie. Und das ist schon befremdlich.

 

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Autorin:

Als Alexanders Schwester Christiane noch in Australien lebte, bevor sie nach Neuseeland auswanderte, pendelte ihr kleiner Bruder bei seinen Besuchen zwischen Mutter und Schwester  hin und her:

 

O-Ton Alexander 8:46 Wenn ich in Australien war, hab ich dann immer bei meiner Schwester gewohnt. Und bin dann vielleicht 2, 3 mal zu meiner Mutter gefahren, um sie zu sehen. 9:13 Weil sie so 80-100 km aus der Stadt raus wohnt. Mitten im Nirgendwo. Was heißt Nirgendwo. Es ist sehr schön, aber es ist halt vom Strand sehr weit entfernt. Und von der Stadt auch. Und deshalb hab ich bei meiner Schwester gewohnt. Weil da auch ein bisschen mehr los war. Auch jüngere Leute da.

Autorin:

Es wirkt so, als hätte sich Alexander seiner Mutter im Laufe der Zeit doch entfremdet. Denn eine zwei- dreimalige Stippvisite während eines Australien-Urlaubs ist nicht viel, um Nähe herzustellen. Und tatsächlich räumt er ein, dass er seine Mutter eigentlich nie richtig vermisst hat.

O-Ton-Alexander 7:36 Ich kann mich eigentlich nicht an so nen Fall erinnern, dass ich jetzt irgendwo ne Zeit hatte, wo´s mir schwerer als in ner anderen Zeit fiel. Ich hab immer wieder daran gedacht, aber so wirklich schmerzlich war das nie. Weil mein Vater, also der hat die Mutterrolle eigentlich auch übernommen. Also, der hat schon irgendwo nen tollen Job gemacht. Hat sich um uns gekümmert. Ist mit uns viel in Urlaub gefahren. Hat hier ja auch so nen grossen Freundeskreis. Und die ham sich untereinander auch da geholfen. Und, er hat z.B. seine Arbeitszeit reduziert. Hat dann 3 Tage die Woche gearbeitet. Und als wir dann grösser waren, hat er wieder die 5-Tage-Woche gemacht.  Aber das war schon toll. Deshalb, richtig kann ich mich nicht erinnern, dass es mal  wirklich bitter war.

Autorin: Einmal im Jahr kommt Christiane, Alexanders Schwester,  zu Besuch nach Deutschland. Der Abschied fällt vor allem ihrem Vater Wolfgang Hollmer jedes Mal sehr schwer.

 

O-Ton Wolfgang 2: 26:23 Da stehen wir halt am Flughafen und dann wird bis zur letzten Minute gewartet. Und dann wird sich sehr intensiv umarmt. Und dann sieht man in den Augen  die Tränen. Und dann kommen sie bei einem selber auch. Das ist schon immer ein sehr, sehr emotionaler Moment.  2: 27:08 Ich weiß, dass ich sie lange nicht sehen werde.  Es ist ja auch ne Strapaze. Neuseeland,  es sind 25 Stunden Flugzeit. Plus Aufenthalt.  27:52 Man ist anderthalb Tage unterwegs. 

 

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Autorin: Durch die Entfernung hat sich das Verhältnis zwischen Evelyn und ihrer Tochter verändert. Alexander ist es gewohnt, dass Verwandte irgendwo auf der Welt verstreut leben. Und Wolfgang verbringt seit Jahren Zeit bei Familie und Freunden in Übersee.

O-Ton Nina Nina 1: 17:41 Wir sind uns schon näher gekommen. Weil wir uns auf einer Erwachsenenebene getroffen haben. Weil gerade meine Mutter so schwer loslassen konnte. Und ich schon jemand war, der früh unterwegs war oder gerne eigenständig, was ich auch war, aber da kam von ihrer Seite nicht so viel. Da war so ein bisschen Klammern. Was auch anstrengend war oder auch oft zu Spannungen geführt hat. Und das hat natürlich das jetzt nochmal echt befreit, irgendwie. Und  sie hat´s auch akzeptiert. Und das find ich sehr, sehr angenehm. Muss ich sagen.

O-Ton Wolfgang 2 34:51 Ich kann mich nicht an Momente erinnern, wo ich meine Tochter ständig vermisse. Das gibt es nicht. Wenn ich sie vermisse, dann rufe ich sie an. Und danach vermisse ich sie nicht mehr.  2: 16:54 Ich sage mir manchmal, ob jemand in Neuseeland lebt oder in Hannover, das ist nur ein kleiner Unterschied von 14.000 km, aber die 400 nach Hannover sind genau so schwierig zu überbrücken, wie die 15.000 nach Neuseeland. Mal sehr salopp ausgedrückt.

O-Ton-Evelyn 3 21:14 Aber im Prinzip sind wir uns dadurch sehr viel näher gekommen. Emotional. Also die zwei Monate, wo ich da war, haben wir uns keinmal gezankt. 3: 12:30 Also sie ist erwachsener geworden. Reifer geworden. Mir hat es eigentlich gefallen, sie dort zu erleben. Und dachte, bah, die hat sich gut entwickelt. Und dann macht auch diese Ferne nicht so viel aus. Also, wenn ich sie dort erlebe und ihren Lebensgefährten und ihr Kind und auch was sie da macht, dann freue ich mich, dass die drei glücklich und zufrieden miteinander sind. Und dann ist es eigentlich egal wo sie sind. Es wär zwar schöner, wenn sie hier wären, das ist ne andere Sache. Und ich hoffe auch, dass sie irgendwann wieder kommen.

O-Ton-Alexander 15:32 Ich bin´s ja gewohnt, dass Leute irgendwo auf der Welt zerstreut sind. Und meine Freundin, deren Schwester, die hat in Marokko gewohnt. Jetzt wohnt sie in Paris. Also, deswegen ist das dann da auch so ein bisschen durchmischt, was die Länder angeht. Und so kommt man viel rum. Das ist doch auch ganz nett.

Atmo Musik   E N D E