Bücher Literaturmagazin WDR5 / Krimicheck / Ellen Sandberg

Krimicheck von Ellen Sandberg: „Die Vergessenen“, Penguin-Verlag, 7,50 Euro, erschienen am 27.12.2017, 508 Seiten

Ein Krimi, der aus dem Gros der Neuerscheinungen herausragt. Wegen des Themas, aber auch wegen der Art, wie Ellen Sandberg, alias Inge Löhnig, aus einem todernsten, düsteren Kapitel unserer Vergangenheit einen spannenden Plot baut – und damit das Gestern mit dem Heute verquickt. Der Fall beginnt harmlos und entwickelt sich rapide zu einem Krimi, der Zeitgeschichte mit dem Hier und Jetzt verbindet. So geschickt und routiniert, dass ich dem Faden, den die Autorin zwischen den Generation spinnt, bereitwillig folgte – mit wachsender Wut.

Das Thema ist hochaktuell und noch immer brisant. Über 90 Jahre alte ehemalige Nazis, die unbehelligt ihren Lebensabend genießen, werden plötzlich aufgeschreckt. Durch eine Justiz, die sich ihrer Gräueltaten als KZ-Aufseher erinnert. Oder, wie in diesem Krimi, durch Aktenfunde, die einen Biedermann als einen eiskalten Mörder entlarven könnten. Doch ob es soweit kommt, lässt die hier zum ersten Mal unter Pseudonym schreibende Münchner Autorin Inge Löhnig bis zuletzt offen. Und sorgt damit für anhaltende Spannung.
Ihre Hauptfigur, Manolis Lefteris, ist so etwas wie ein Mann für alle Fälle, der zwar ein Autohaus führt, aber einen gut bezahlten dunklen Nebenjob ausübt. Eigentlich schreckt er vor nichts zurück. Doch diesmal geht ihm die Sache irgendwann einfach zu sehr unter die Haut. Der Fall beginnt harmlos und unverdächtig. So soll Lefteris lediglich einer alten Dame ein paar Akten entwenden. Für ihn ein Klacks. Aber dann stellt sich heraus, dass sich hinter diesen Dokumenten die dunkle Vergangenheit eines mächtigen Unternehmers verbirgt. Erst nach und nach merkt Lefteris, dass dieser Auftrag auch etwas mit seiner eigenen Lebensgeschichte zu tun hat. Und dass nicht nur die alte Dame einst verstrickt war in ein Verbrechen, dem Tausende unschuldige Kinder und Erwachsene zum Opfer fielen. Denn der Mann, den die alte Frau als junge Krankenschwester liebte, dieser Mann ist ein Monster. Jemand, der gnadenlos Kinder tötete. Und – wie Lefteris herausfindet – damit bis heute ungeschoren davonkam.
Eine gelungene Verstrickung historischer Wahrheiten mit einem fiktiven, in der heutigen Zeit angesiedelten Kriminalfall. Ein Buch, das Geschichte auf geradezu erschreckend spannende Weise lebendig werden lässt. Als Krimi ein absolutes Muss.