Elsemarie Maletzke und Tony Parsons auf Scala / WDR5, 24.3.2020
Diesmal stellt Scala zwei Krimis vor, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Einer dreht sich jahreszeitgemäß um prächtig blühende Magnolien, der andere jahreszeitunabhängig um eine missratende Entführung. Unsere Krimi-Expertin Ingrid Müller-Münch hofft so, mit einem Schlag gleich unterschiedliche Geschmäcker zufrieden zu stellen.
Die Magnolien schlagen aus, ihre Blüten kündigen die warme Jahreszeit an. Dass sich hinter ihrer Pracht Mord und Totschlag verbergen kann, zeigt deutlich der erste Krimi, den unsere Krimi-Expertin Ingrid Müller-Münch vorstellt: „Magnolien Mord“ der Frankfurter Autorin Elsemarie Maletzke. Während der zweite aus der Reihe des englischen Bestsellerautors Tony Parsons keineswegs Blumen oder Blüten braucht, um zur Sache zu kommen. Da wird direkt entführt und gemordet. Völlig unverblümt.
Sprecher: Jankowski hatte gewartet, bis Elinor aufs Rad gestiegen und zur Bibliothek gefahren war. Dann verließ auch er das Haus, ging jedoch nicht wie sonst zum 32er Bus, sondern bog in die Rat-Beil-Straße ein und wanderte an der roten Friedhofsmauer entlang zum Hauptportal. Er klinkte das große, zweiflüglige Metalltor auf, trat unter den Kameras ein und schritt, die Hände in den Hosentaschen und in der rechten Faust ein mit Klebeband umwickeltes Päckchen, über den Kiesplatz. Er fand das Grab von Ruthchen Feibelmann an der langen Seite des Ls. Rasch ließ er sich auf die Knie nieder und stopfte den kleinen umwickelten Plastikbeutel aus seiner Hosentasche in eine Lücke zwischen den Ziegeln, stand auf, zog die Zweige wieder zurecht und trat zurück. Keine Minute war vergangen.
Autorin: Elinors Freude über Dr. Simon Jankowski, den neuen Mieter der Mansardenzimmer ihres ererbten Frankfurter Gründerzeithauses, währt nicht lange. Denn mit ihm zieht Unruhe in ihr Haus, hervorgerufen durch das seltsame Verhalten dieses Baum-Experten. Jankowski streift stundenlang durch den angrenzenden alten jüdischen Friedhof. Offenbar auf der Suche nach etwas Verborgenem. Und Elinor, die einen Schlüssel zum Gattertörchen dieses wunderschön verwilderten Friedhofsgeländes hat, begleitet ihn immer häufiger, ohne zu ahnen, welches Verbrechen dieser Mann plant.
Sprecher: Manchmal erblickte Elinor in der Dämmerung den Fuchs, der dreißig Schritte von ihrem Törchen entfernt hinter dem Grabmal der Familie Bing saß und auf sein Wasser wartete. Sie stellte die Blechschüssel neben den steinernen Pfosten, ohne ihn anzusehen, und ging ihrer Wege. Er war ein wildes Tier, dass sich einen fatalen Ort zum Leben ausgesucht hatte. Doch sie freute sich, ihn in ihrer Nähe zu wissen.
Autorin: Bald schon wird klar, Jankowski liebt nichts auf der Welt so sehr wie die in seiner polnischen Heimat von ihm gehegten und gepflegten Magnolien. Und genau die droht ein Gangster zu zerstören, außer Jankowski schmuggele ein Päckchen über die Grenze und verstecke es am Grab von Ruthchen Feibelmann. Der Magnolienliebhaber ahnt ja nicht, dass sich darin Diamanten aus einem spektakulären Raub befinden, eingewickelt zwecks Tarnung in Schmalz, versteckt in einem Plastikbeutel. Doch der über den Friedhof streunende Fuchs macht sich über das von Jankowski an Ruthchen Feibelmanns Grab versteckte Diamanten-Schmalz-Gemisch her, vertilgt das Fett und die Diamanten gleich mit.
Sprecher: Der Fuchs hatte das Schmalz am Fundament von Ruthchen Feibelmanns Säule von weitem gerochen. Es war erstklassiges polnisches Schweineschmalz mit achtzehn Prozent Grieben und neun fast lupenreinen Diamanten im Brillantschliff zwischen 1,25 und 1,3 Karat im Wert von über 252.000 Euro oder 965.500 Zloty.
Autorin: Die Autorin dieses amüsanten Krimis hat zwei Vorlieben zu einem ironisch geschwungenen Plot zusammengefügt: Ihre Liebe zu Magnolien und ihre Vergangenheit als Journalistin bei den Satiremagazinen Pardon und Titanic. Beides ergibt eine höchst unterhaltsame Mischung, deren Ironie Schwere nimmt und eine keineswegs oberflächliche, sondern eine stimmungs- und humorvolle Leichtigkeit erzeugt.
Kleines akkustisches Signal
Autorin: Anders bei dem englischen Bestseller-Autor Tony Parsons. In seinem Krimi „Die ohne Schuld sind“ greift er gleich in die Vollen. Hier ist niemand gut. Während die Schlechten ab und zu auch ein Herz haben. Im 6. Fall um Detective Max Wolfe von der Kripo London leiht sich Jessica, eine junge, bildschöne Frau, den neuen 7er BMW ihrer Mitbewohnerin, wird von ein paar schrägen Typen verfolgt, angegriffen und entführt.
Sprecher: Die beiden Männer waren ausgestiegen. Ihre Gesichter hatten sie mit einer Maske verdeckt, die aussah wir ein Totenschädel und ihr Angst einjagen sollte, und sie kamen rasch auf ihren Wagen zu. Als wäre das alles geplant. Alles.
Autorin: Zurück bleibt ihr Baby und ein sprachloser Wachmann. Schnell findet Wolfe mit seiner Ermittlercrew heraus, dass die Täter sich offenbar vertan haben. Denn nicht die zarte, von allen geliebte Jessica sollte entführt werden, sondern ihre Mitbewohnerin, Geliebte des inzwischen zurückgezogen lebenden Gangsterbosses Harry Flowers, über den folgende Horrorgeschichte kursiert:
Sprecher: Harry Flowers besuchte seinen Rivalen mit einem Gorilla und einem vollen Benzinkanister. Der Rivale saß mit seiner ganzen Familie beim Sonntagsessen. Harry Flowers und sein Gorilla fesselten den Rivalen an seinen Stuhl am Kopf der Tafel, dann entleerten sie den Benzinkanister über die Familie. Über alle. Die Frau. Die Großeltern. Die vier Kinder. Und dann riss Harry Flowers ein Streichholz an. Er setzte die Menschen nicht in Brand, weil es gar nicht nötig war. So wurde Harry Flowers zum Henry Ford des Drogengeschäftes.
Autorin: Flowers hat, da ist man sich schnell einig bei der Londoner Kripo, so überhaupt kein Motiv, seine Geliebte zu entführen. Also wer will dem ehemaligen Drogenboss an den Kragen? Die Recherchen schleppen sich, während die Story nicht eine Minute an Drive verliert. Es gelingt der Kripo sogar, Flowers für eine Weile in Untersuchungshaft zu bringen. 24 Stunden, länger nicht. Dann hätte er zurück in sein komfortables, ergaunertes Leben kehren können. Wenn denn alles glatt gegangen wäre.
Sprecher: Es war noch früh, und der Bentley stand vor der 27 Savile Row, den Motor im Leerlauf, Mo am Steuer. Er hastete aus dem Wagen, um seinem Boss die Tür aufzuhalten. Harry ging auf seinen Bentley zu. Ich merkte, wie er aufatmete. Das gute Leben rief ihn nach Hause. Eine Stunde lang auf den weichen Ledersitzen seines Bentleys, während hinter den getönten Scheiben die Stadt langsam vorbeizog, dann wieder sicher und geborgen in seinem großen Haus am Stadtrand sitzen und irgendwie die Wogen bei seiner selbstsicheren, auf Privatschulen erzogenen Frau glätten. Als freier Mann.
Und dann kam Frank Lyle, der Vater der entführten Jessica, mit einem Hammer in der Hand um die Ecke.
Autorin: So geht das ständig. Nichts hat Bestand. Und wie der Titel schon andeutet, ist hier niemand ohne Schuld. Denn die Entführung ist längst nicht das, nach was sie anfänglich aussah, denkt sich auch Jessicas Mitbewohnerin, des Bosses jugendliche Geliebte:
Sprecher: „Ich glaub nicht, dass Jess‘ Entführung irgendwas mit Harry zu tun hat.“
„Was ist denn Ihrer Meinung nach passiert“, fragte Detective Wolfe.
„Diese Männer haben Jess gesehen und wollten sie haben“, sagte sie. „Sie sahen sie und wollten sie haben und haben sie sich genommen. Vielleicht waren sie betrunken oder stoned oder einfach nur zwei fiese Mistkerle, die Frauen gern wehtun. Von denen gibt es weiß Gott genug. Ich glaube jedenfalls, das ist passiert.“
Autorin: Alle in dieser wunderbaren Räuberpistole liegen mit ihren Vermutungen daneben. Wirklich Alle. Und selbst diejenigen, die unschuldig und rein wirken, haben mächtig Dreck am Stecken. Lüftet man erstmal die wollene Decke von Wohlanständigkeit und Fassade.
Für mich ist der britische Topjournalist und Bestsellerautor Tony Parsons Garant für Spannung und einer meiner ganz sicheren Tipps.
E N D E