WDR5, Neugier genügt, Service Reisen: Kuba, 3/09, 7 Minuten

Verfallene Prachtbauten, klapprige Straßenkreuzer die Musik des Buena Vista Social Clubs – das sind die gängigen Assoziationen zu Kuba. Als preiswertes Urlaubsziel ist die Karibikinsel auch bei Touristen beliebt, die nur Sonne und Palmenstrand genießen und ansonsten ihr Hotel kaum verlassen wollen. Ihnen entgeht viel: ein Einblick in das Lebensgefühl der Kubaner, die als Weltkulturerbe z.T. schon restaurierte Innenstadt von Havanna, Erkundungsausflüge ins Hinterland, die mittlerweile auch für Nicht-Pauschaltouristen möglich sind. Karibik ohne Massentourismus.

Ingrid Müller-Münch an Dr. Ingrid König

 Reisebericht über Kuba

 

 

Atmo „Ola“, 1056, gefolgt von Musik Commandante Che Guevara 1143, unterlegt unter Autorinnen-Text.

 

Autorin:

Kuba, im Frühjahr 2009. Äußerlich scheint alles beim Alten. Am Flughafen begrüßt als erstes ein verblasstes Plakat mit dem Text „Revolution o muerte„ die keineswegs auf die Alternative von Revolution oder Tod eingestellten Touristen – immerhin pro Jahr über zwei Millionen Hauptdevisenbringer,  vor allem aus Kanada, Österreich, der Schweiz und Deutschland. Die Konterfeis von Che Guevara, Fidel und Raoul Castro säumen die Straße. In dem Staatsorgan „Grandma“ meldet sich der todkranke Fidel Castro zu Wort und erklärt, er überarbeite von seinem Krankenbett derzeit all seine an sein Volk geführten Reden.  Jorge, unser Reiseführer, kündigt das erste Highlight unserer Rundreise an:

 

Atmo  Musik übergehend in Atmo Hotel National 1004, 1005, 1007, 1018 unterlegt unter die folgenden Texte

 

O-Ton Jorge Bus 1002, 8:10:

Das ist das Hotel National von Kuba. Das ist eine Oldtimer aber wunderschön. 1930 erbaute Anlage.

 

Autorin:

Hier verbringen wir die ersten Nächte. Ein besonderes Privileg, für einen normalen Touristen nur als Pauchalreiseangebot erschwinglich. In der Lobby des hochnoblen, unter Denkmalschutz stehenden Hotels, thront ein Postkartenstand mit Che Guevara in allen Lebenslagen. Lachend, zigarrerauchend, im Profil, mit Mütze, ohne Mütze. Ein Fremdkörper, angesichts der mit feinsten Kacheln ausgestatteten Hotellobby,  gleich neben der antiken Uhr, den glitzernden Lüstern, dem aus feinsten Hölzern ziselierten Empfangstresen.

 

Atmo Hotellobby National mit Uhr und Ausrufern und Aufzuggeklingel.

 

Autorin

Hier nächtigten einst die Großen dieser Welt, sorgten Mafiosi wie Lucky Luciano dafür, dass im Casino der Rubel rollte, räkelte sich Jonny Weißmüller mit Blick auf den Atlantik. Im Nebenzimmer womöglich Kaiserin Soraya, Winston Churchill, Rita Hayworth oder Frank Sinatra. Das alles ist längst vorbei. Das Hotel ist in staatlicher Hand, wie alle Hotels auf Kuba. Und der Manager sträubt sich, auch nur die dezenteste Frage danach, was sich Leute wie er vom neuen US-Präsidenten Obama erwarten, zu beantworten:

 

O-Ton 1016, 1:00 auf spanisch Hotelmanager:

Sprecher:

Ich kann keine politischen Fragen beantworten, ich bin zuständig für das Hotel National in Kuba. Muchas Gracias

 

Autorin:

So wie der Hotelmanager verhalten sich die meisten Kubaner, nach der Zukunft des Landes befragt, fand Tourist Bernd Schwerer aus Magdeburg heraus:

 

O-Ton Tourist 1163, 5:15

Also wir haben festgestellt, wenn man mit den Leuten spricht, die auch Deutsch verstehen, waren viele die in der DDR mal gearbeitet haben, dann bekommt man auf die Frage, was mit dem Land passiert, wenn Fidel Castro mal nicht mehr ist, bekommt  man leider keine Antwort. Die Leute sind also sehr zurückhaltend. Diese Frage wird nicht beantwortet.

 

Atmo Straßenatmosphäre in Havanna

 

Autorin:

So bleibt denn der Kontakt zu den Kubanern auf das beschränkt, was offensichtlich und nicht zu überhören ist. Ihre Musik. Überall und allerorts tönt sie einem entgegen. Ob im Foridita, der original erhaltenen Bar, in der einst Ernest Hemingway seinen Daiquiri trank und in der gutbetuchte Touristen heute ohne Probleme eine Flasche Veuve Cliquot La Grande Dame 1998 für umgerechnet über 300 Euro bestellen können.

 

Atmo hochziehen Floridita Musik schon unterlegt unter vorherigen Text. 1021,1022,1023,1024

 

Atmo Straßen 1023,1028,1034,5,7

 

Autorin:

Auf den Spuren Hemingways landen wir unweigerlich im Art-Deco-Foyer des Hotels Ambos Mundos, einem seiner letzten Aufenthaltsorte. Mitten in Havannas wuseligem Stadtzentrum auf der Calle Obispo.  

 

Atmo Klaviermusik Ambos 1030

 

Autorin:

Einen Seitensprung nur entfernt von der Altstadt, einem Schatzkästchen an kolonialen Bauten, heruntergekommenen hochherrschaftlichen Gebäuden, von denen der Putz blättert.

 

O-Ton Jorge 1039

Also innerhalb von fünf Quadratkilometern, die von der Unesco 1982 als Weltkulturerbe erklärte wurde, gibt es über 1.500 Gebäude von historische und architektonische Bedeutung.

 

Autorin:

Bei einer Sightseeingtour im klimatisierten Bus, erklärt Reiseführer Jorge, was derzeit getan wird, um die Altstadt vor ihrem kollektiven Einsturz zu bewahren:

 

O-Ton Kuba6-1020 1:30

Im Moment in Habana ist wie eine große Baustelle. Nach den 90er Jahre viele Häuser eine große Baufälligkeit herrschte, aber jetzt wird saniert. Und die große Aufgabe in Kuba ist, die alte Stadt Habana, retten wir, was noch zu retten ist. Und aufgrund dieser Rettungsmaßnahmen haben wir 80 % der Bausubstanz alte Stadt Habana gerettet.

 

Atmo Straßenlärm in Havanna

 

Autorin:

Mit Geld ist auch heute noch in Kuba fast alles möglich. Wer CUCs besitzt, die für Touristen vorbehaltenen Peso Convertible, kommt überall rein. Selbst ins Coppelia, der angeblich besten Eisdiele der Welt. Dort kann er auf den Spuren des Films „Erdbeer und Schokolade“ so richtig schlemmen.  In Kuba derzeit eine Besonderheit. Denn nach drei Wirbelstürmen in den vergangenen Monaten, die einen verheerenden Schaden anrichteten, nach harten Jahren infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und einem noch immer anhaltenden US-Embargo schnüren die Kubaner schon seit langem ihren Gürtel eng. Bekommen zwar ihre Grundnahrungsmittel per Lebensmittelkarte. Aber beängstigende Szenen, wenn tatsächlich mal irgendwo Fleisch verteilt wird und sich die Leute fast zu Tode drängeln, kommen immer wieder vor. So hat sich denn eine Schattenwirtschaft entwickelt.

 

O-Ton Bouqinist

If you don’t get money out of records you cannot live

 

Autorin:

Wer also nichts dazuverdient, kann von seinem regulären Einkommen einfach nicht leben. Mehr will mir der Buchhändler auf der Plaza de Armes in Havanna nicht ins Mikrophon sprechen. Dennoch weiß jeder, dass der staatliche Verdienst von umgerechnet 25 Euro vorne und hinten nicht reicht. Alle haben einen Nebenjob, schwarz, illegal und von Sanktionen bedroht. Oder haben Verwandte im Ausland, die regelmäßig Devisen schicken. Thomas Fischer aus Leipzig, der an der kubanischen Karibikküste zum wiederholten Male seinen Urlaub verbringt, fühlt sich doch sehr an seine Vergangenheit erinnert:

 

O-Ton Thomas Fischer 1163, 3:05

Es erinnert mich an unsere ehemalige DDR, viel krasser noch. Ich hab jetzt erfahren, dass eben viel Schwarzarbeit gemacht wird, viel aus den Betrieben rausgeholt wird, und getauscht wird, weil die Leute gar nichts haben. Sie müssen lange auf Kühlschränke und Fernseher warten. Bei uns war das auch so. Also die Leute sind wirklich ganz arm dran. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.

3:43 Die Leute haben trotzdem immer ein Lächeln auf der Lippe und sind sehr freundlich. Man sieht ihnen das eigentlich nirgends an, dass es so schlecht ihnen geht.

 

Autorin:

Genauso ist es. Kuba ist heute ein Land, in dem die Menschen – gleich welcher Hautfarbe – stolz und erhobenen Hauptes durch die Straßen gehen. Trotz aller Restriktionen, trotz aller zu Recht von amnesty international angeprangerter Verhaftungen von Regimekritikern. In dem es so gut wie keinen Analphabetismus mehr gibt, niemand verhungert. In dem die Menschen arm sind, aber nicht erbärmlich.

 

O-Ton Jorge 1073

2:09 Aufgrund von alle diese Errungenschaften und die Bewusstsein und die Bildung heute die Kubaner haben anderes Mentalität, haben Selbstbewusstsein und gehen sehr lockerer in Leben. Und erinnere mich von vorher schwarze Menschen waren in der Körperhaltung, ach, in dieser Form. Und jetzt heute gehen direkt, das ist eine neue Körperhaltung bei den Schwarzen Menschen.

 

Atmo Musik

 

Autorin:

Kuba, ein Land im Umbruch. Ein Land voller Lebensfreude, aber auch voll Restriktionen. Untermalt von Musik, Tanz, Mambo und Chachacha, Mojito und Daiquiri, Sonne, Palmen und Stränden. Ein Land, das lockt und verführt, das zum Wiederkommen animiert. Diesmal nicht im klimatisierten Reisebus, sondern auf eigene Faust. Das ist in Kuba zwar ein Abenteuer, aber inzwischen durchaus machbar.