Korpsgeist statt Wahrheitsliebe, WDR5, Neugier genügt, 18 Minuten, 19.2.2010

Korpsgeist statt Wahrheitsliebe

Warum Polizisten so selten gewalttätige Kollegen anzeigen.

 

Atmo Musik unterlegt

 

O-Ton Almuth Wenta 3/35:10

Wie sich das anfühlt, Opfer einer Gewalttat zu werden, hab ich bislang nicht gewusst. Bis zu jenem Abend, als mir ein Polizist völlig ohne Grund, mit einem sehr harten Knüppel auf den Körper gedroschen hat, mir eine Rippe gebrochen hat, was dazu geführt hat, dass ich auf einem Bürgersteig lag, kaum atmen konnte. Ganz ganz wehrlos war. In Ohnmacht fiel, wieder zu mir kam und gespürt habe, diese Angst, diese Panik, diese Hilflosigkeit, dieses nackte Entsetzen, das fühlen Menschen, die Opfer einer Gewalttat sind.

 

Atmo Musik hochgezogen und kurz stehen gelassen

 

O-Ton Katharina Spieß, ai, 0000 + 4:37 + 9:03

Ich bin Katharina Spieß. Ich arbeite bei amnesty international und  beschäftige mich mit der Frage, wie die Polizei in Deutschland Menschenrechte einhält.  4:37 Wir haben nach der Veröffentlichung unseres letzten Berichtes zu Polizeigewalt in Deutschland 2004  9:03 cirka  von 850-900 Personen Zuschriften erhalten, die gesagt haben, sie seien Opfer von Polzeigewalt geworden.  Wir haben näher recherchiert cirka 160 Fälle. Und darin haben wir zum Teil sehr erschreckende Beispiele von Gewaltausübung gefunden.  26:05 Die Fälle, die wir überwiegend recherchiert haben, da ist es so gewesen, dass die Ermittlungsverfahren so defizitär waren, dass der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden konnte. Und die Defizite lagen auch daran, dass Polizisten, die eventuell das Geschehen hätten beobachten können, gesagt haben, dass sie es nicht beobachtet haben. Oder dass sie nicht gegen andere Polizisten ausgesagt haben.

 

O-Ton Behrendes 1/0

Ich bin Udo Behrendes, Polizeibeamter seit 1972.  1 / 4:57 Eine besondere Problematik für Polizisten und die gibt es so zugespitzt in keiner anderen Berufsgruppe, sind die strafrechtlichen Anforderungen. Es wird von einem Polizisten erwartet, dass er jedes Fehlverhalten seines Kollegen sofort unterbindet und es direkt anzeigt. Direkt heißt, er muss im Grunde danach an den PC gehen und den anzeigen. Danach auch nicht mehr mit dem sprechen. Denn wenn er das tun würde, würde er in ein schwebendes Verfahren eingreifen. Das ist eine sehr sehr starke Forderung und das ist manchmal eine Überforderung.  1/1815ff Es ist vollkommen klar, dass ein Polizist sich an denselben Massstäben messen lassen muss, wie jeder andere Bürger auch. Die Problematik liegt aber darin, dass ein Polizist vor Gewalt nicht weglaufen kann. Der Beruf eines Polizisten hat etwas mit Gewalt zu tun. Wir dürfen nicht nur Gewalt anwenden. wir müssen in vielen Situationen Gewalt anwenden. Ob das gegen den tobenden Ehemann ist, ob das zwischen zwei rivalisierenden Jugendgruppen ist, bei einer Wirtshausschlägerei, Fussballfans, bei Demonstrationen. Wir können nicht weglaufen.  Und die Gefahr, dass man bei einer Gewaltanwendung auch in einer zugespitzten dynamischen Situation überzieht, ist sehr groß.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Almuth Wenta 2/8 + 1:11

8 Mein Name ist Almuth Wenta. 1:11 Ich war am 30. April 2007 auf einem Stadtfest.  Habe eine ‚Freundin begleitet, eine Polizeireporterin. Wir sind gegen 23.30 aufgebrochen, um  nach Hause zu fahren. Man kann sich vorstellen, da sind verschiedene Straßenzüge, da sind so Stände aufgebaut, Menschen gehen dort umher, essen, trinken, es wird ein bisschen getanzt. Also eine ganz ausgelassene  Atmosphäre. Die Situation schlug in einer Straße insofern um, dass dort Menschen auf der Straße waren, von denen ich sagen würde, sie waren Randalierer. Hatten Flaschen in der Hand,  hatten Steine in der Hand, haben gerufen, Bullenschwein oder ähnliches, und standen in der Tat Polizisten gegenüber. 

 

Atmo Musik

 

 

O-Ton Behrendes

7:45Polizisten arbeiten, gerade die, die in einem Schichtsystem arbeiten, in einer Dienstgruppe, einem Team, was Gefahrengemeinschaft ist und sogar ein Stück mehr ist. Bis hin zu einer Zweitfamilie oder Familienersatz. Gerade dieser Schichtdienst bringt es mit sich, dass man häufig auch seine Freizeit nur mit seinen Kollegen verlebt, weil man eben am Samstagabend arbeiten muss, wenn alle anderen ausgehen oder auch am Sonntag, wenn andere auf den Fußballplatz gehen. Das heißt, man ist sehr sehr zusammengeschweißt. Aus so einer Gruppe nun jemanden, der sich falsch verhält, auszuschließen, und das genau wird erwartet durch die Anzeigenerstattung, das ist eine sehr hohe Schwelle. 1/ 13:54 Das ist genau das Dilemma. Die Polizisten wissen, wenn ich mich nicht von Anfang an völlig korrekt verhalten habe, dann schweige ich für immer. Denn wenn ich nach Nachdenken, nach Beratung dazu komme, ich sag mal, auszupacken, muss ich mich immer für die Zeit des Schweigens strafrechtlich rechtfertigen. Von da ist allen klar, entweder ich spreche sofort oder nie.

 

O-Ton Katharina Spieß, ai, 28:11

Die Fälle, in denen es zu Übergriffen gekommen ist, sind ganz unterschiedlich. Im Kontext von Demonstrationen ist es häufig so, dass tatsächlich ne Situation eskaliert.  Und dass dem entsprechend so ne Dynamik entsteht.

 

O-Ton Behrendes,

27:08  Ich bin heute vom Dienstgrad her leitender Polizeidirektor. Das ist unter normalen Voraussetzungen der höchste Rang den man in einer Behörde bekommen kann. In so weit habe ich Karriere gemacht. Nicht wegen meines Verhaltens, sondern eher trotz.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Behrendes

1/0:57 Das war in den 90-iger Jahren. Damals war ich in Bonn tätig. Es waren zwei Fälle die an mich als Vorgesetzten herangetragen worden sind. Der eine spielte sich bei einer Demonstration ab. Ich war Einsatzleiter. und hatte schon auf dem Bonner Münsterplatz gesehen. dass ein Kollege dort nach meiner Einschätzung überhart eingeschritten war. Ich war aber mit ganz vielen Dingen beschäftigt und konnte mich nicht auf diesen Beamten konzentrieren. Abends sah ich dann in den Tagesthemen Szenen von dieser Demonstration und eben auch von dem polizeilichen Einschreiten und erkannte dann diesen Beamten wieder, wie er in mehreren Fällen mit dem Schlagstock auf Demonstranten einschlug. Aus meiner Sicht unbegründet. Ich habe darauf hin eine Anzeige vorgelegt und ihm das Beweismaterial, diese Fernsehaufzeichnung dabei gefügt.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Almuth Wenta 2/4:26

Wir standen dort, an der Hauswand gelehnt. Plötzlich sah ich, dass behelmte Polizisten auf uns zukamen. Die waren ausgestattet mit einem fast geschlossenen Helm, hatten Schutzschilder, Gummiknüppel in der Hand. Ein natürlich ein sehr martialischer Anblick. 5:18 In diesem ganzen Wirrwarr das entstand, die Leute an der Hauswand wussten nicht, wo sie hin sollen, die Leute auf der Straße fingen an, noch aggressiver zu werden. In diesem Wirrwarr sah ich, dass ein Polizist schnellen Schrittes auf mich zu kam. Er hatte den Polizeiknüppel  bereits in der Hand und fing ohne Vorwarnung an zu prügeln. Der erste Schlag, den ich spürte, ging in meine Kniekehlen. Das führte dazu, dass ich  natürlich sofort eingeknickt bin, im Wortsinn. Mit den Knien, mit den Händen  kniete ich wirklich auf dem Gehweg. Hab noch so mitbekommen ein ziemlich hektisches Schreien um mich,  Hört auf. 

 

Atmo Musik

 

O-Ton Katharina Spieß ai

28:11 Es gibt aber auch Situationen zum Beispiel ham wir den Fall eines kleinen Ladendiebs dokumentiert, der festgenommen worden ist, weil er ein T-Shirt geklaut hat. Und dann ist er in die Zelle gebracht worden und als er aus der Zelle raus kam, war sein Kiefer gebrochen. Das konnte nie aufgeklärt werden. Da ist die Frage, wie konnte das passieren?

 

O-Ton Behrendes

1 / 2:36 Der zweite Fall war einer der sich in einer Zelle abgespielt hat. Da bin ich durch andere Beamten darauf aufmerksam gemacht worden. Die Situation war so, dass mehrere Einbrecher auf frischer Tat festgenommen, bei uns in der Polizeiwache in Zellen eingeschlossen worden sind, und dann ist ein Beamter auf einen Festgenommenen zugegangen und hat den ins Gesicht geschlagen. In den Sachverhaltsschilderungen so dargestellt hatte, als habe sich dieser Mann diese Verletzung selber zugezogen. Und nach dem ich dann von anderen Kollegen darauf aufmerksam gemacht wurde, hab ich eine Anzeige gegen diesen Beamten erstattet, der offensichtlich als  Bestrafungsritual diesen Festgenommenen geschlagen hat.

 

O-Ton Spieß ai 37:54

Wenn es zu Misshandlungen in Polizeistationen kommt, die Misshandlungen häufig deshalb nicht aufgeklärt werden können, weil die Aussage  des mutmaßlichen Opfers gegen die Aussage des Polizisten steht. 29:31 Es ist sehr häufig so, dass die Person, die  der Polizei vorwirft gewalttätig geworden zu sein, eine Anzeige erstattet, und dass dann ne Gegenanzeige erstattet wird, wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten. Es ist für uns beunruhigend, dass in vielen Fällen, die wir recherchiert haben, die Staatsanwaltschaft erst  gegen das Opfer ermittelt. Und dann zum Teil gar nicht der Anzeige weiter nachgeht des Opfers. Wir haben einen Fall in Wuppertal, wo ein Mann aufgegriffen worden ist und er seinen Ausweis zeigen sollte und dann ist er mit zur Polizeiwache gebracht worden. Er sagt er hätte seinen Ausweis vergessen. Und  dann ist er durchsucht worden. Dann flatterte der Ausweis raus. Seine Frau, so sagte er, hätte den Ausweis in seine Tasche getan. Und dann ist es wohl eskaliert. Er sagt, er sei geschlagen worden von einem Polizisten. Dann hat er Anzeige erstattet. Die Polizei hat auch Anzeige erstattet. Die Anzeige der Polizei wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist zum Amtsgericht gebracht worden. Die Richterin hat dann gesagt, die Aussagen der Beamten seien absolut unglaubwürdig. Hat das Verfahren gegen den Mann eingestellt. Seine Strafanzeige ist bis heute nicht bearbeitet worden.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Wenta:

7:00 Es folgten zwei bis drei weitere Schläge. Schnell ausgeführt, hart, mit dem Gummiknüppel. Alle drei in meine rechte Rippenseite. Die dazu führten, dass ich einerseits komplett auf die Straße fiel. Andererseits mir buchstäblich die Luft nahm. Und es war der dritte Schlag in die Rippen, bei dem ich dann merkte, dass es kracht. Es hat also in mir gekracht. Später im Krankenhaus wurde da ein Rippenbruch diagnostiziert.  Das fühlen sie in dem Moment, dass da etwas buchstäblich kaputt geht.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Behrendes 1/48:48

Wo kippt das Ganze um in einen Chorgeist in eine verschworene Gemeinschaft, die sich eigene Regeln setzt? Und die letztlich selber entscheidet ob man nach Recht und Gesetz oder dem Gesetz der Straße handelt. Wir haben innerhalb der Polizei immer so dieses Etikett Nestbeschmutzer, nicht für denjenigen, der den Schmutz ins Nest trägt, sondern für denjenigen der sich erlaubt auf den Schmutz hinzuweisen. Der wird fatalerweise als Nestbeschmutzer bezeichnet. Und wir müssen dahin kommen, und klar machen, derjenige der gegen unseren Berufskodex verstößt, ist nicht derjenige der ein Fehlverhalten anprangert, sondern derjenige der dieses Fehlverhalt begeht. Oder zu dem Fehlverhalten schweigt.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Almuth Wenta

11:15 Ich bin bereits eine Woche später vorgeladen worden von der Polizei, zu einer Zeugenaussage. Bin da von einem Kriminalhauptkommissar ausführlich befragt worden. Die Schwierigkeit dabei war natürlich für mich, wie im ganzen Nachhinein,  dass ich einem Polizisten versuche zu erzählen, was ein Polizist gemacht hat. 

Atmo Musik             

 

 

O-Ton Behrendes

1/10:45 Die Tatsache, einen eigenen Kollegen anzuzeigen, ist natürlich innerhalb der Kollegenschaft schwer zu vermittelten. 4:32 Alle diese Begriffe, Nestbeschmutzer, Verräter, die kursieren dann natürlich. 24:10 Verhaltene Reaktionen von Vorgesetzten, die hat es gegeben. Ich kann mich noch erinnern, als ich mich entschlossen hatte, nach Auswertung der Fernsehbilder diese Anzeige zu erstatten, habe ich meinen damaligen Vorgesetzten angerufen und ihn darüber informiert. Der hatte sich das angehört am Telefon. Und dann kam nur eine Frage: Muss das denn sein? Und ich hab dann gesagt, Ja. Aber diese Frage: Muss das denn sein? hat mir natürlich klar signalisiert, erwünscht ist das jetzt nicht.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Wenta 13:38

Ja, es gab Zeugen…für den  Vorfall, die meine Version bestätigt haben. Drei Zeugen, die mich insofern bestätigen konnten, dass von mir keine Gewalt ausging. 14:23 Es ist so, dass im Rahmen dieses Verfahrens 13 Polizisten befragt worden sind, im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Alle 13 waren unmittelbar in der Nähe, das heißt, sie standen mehr oder weniger ein bis zwei Meter von mir entfernt. Keiner hat etwas gesehen. Das haben alle 13 in separaten  Befragungen zu Protokoll gegeben. Obwohl sie alle dort waren. Und obwohl ein Foto, das kurz nach der Tat aufgenommen wurde, und mich am Boden liegend zeigt, dieses Foto offenbart, dass die Polizisten hinschauen.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Behrendes

25:53 Ja. also es hat beispielsweise bei Einsatzbesprechungen, wenn wir Demonstrationseinsätze, die wir zur damaligen Zeit, 90er Jahre, in Bonn sehr häufig hatten, da wurde ich dann von Kollegen auswärtiger Behörden, die da gekommen sind, muss man damit rechnen, wenn es dann zur Sache geht,  dass sie uns dann anschließend anzeigen? Also diese Vorbehalte, diese Distanz habe ich schon gemerkt. Wobei es in aller Regel eher subtiler war, also nicht durch ne konkrete Ansprache. Sondern es war sowas, was man manchmal so atmosphärisch gemerkt hatte.1/18:03 Ja. Das muss ich auch ganz deutlich sagen. Das was ich gemacht habe, ist schon etwas wo man sich für erklären muss. Aber es ist sicherlich sehr viel einfacher als Vorgesetzter, der auch gar nicht im Alltag acht Stunden. mit dem jeweiligen Kollegen zusammen arbeitet, einen solchen Schritt zu gehen, als das gleiche zu tun als ein Kollege, eine Kollegin, die im Grunde ihren Teamkollegen anzeigen muss. Das ist eine ungleich schwierigere Situation.

 

O-Ton Spieß ai 19:17

Herr Östermal ist 2008 gestorben. Er war psychisch krank. Hat die Polizei gerufen in der Nacht, weil er sich verfolgt fühlte.  Das war in Hagen. Dann sind zwei Polizisten gekommen. Haben mit ihm die Wohnung angeschaut und geguckt ob ihn da jemand verfolgt. Dann ist der vor den Augen seiner Mutter, die nicht gut Deutsch sprach, mitgenommen worden. Die Mutter als auch er glaubten die Polizisten würden ihn zu seiner Schwester in einem anderen Stadtteil nach Hagen bringen. Stattdessen haben sie ihn in die Polizeistation gebracht.  Schon im Polizeiauto ist er deswegen nervös geworden und in der Polizeistation ist es wohl so gewesen, dass er ausgetickt ist. Und dann haben bis zu sieben Polizisten versucht ihn zu fesseln, was ihnen letzt endlich auch gelungen ist. Sie haben ihn dann in der Bauchlage gefesselt. Das ist eine sehr sehr gefährliche Fesselungsform.  Irgendwann hat dann Herr Ö. das Bewusstsein verloren. Er ist ins Koma gefallen und dann nicht mehr aufgewacht. In diesem Fall hat die Polizei aus Dortmund  noch in der Tatnacht alle anwesenden Polizisten vernommen. Das waren elf.  Die Beschuldigten haben alle die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. Davon haben alle elf Gebrauch gemacht. Und damit konnte man nicht weiter ermitteln.  Was für uns in diesem Fall besorgniserregend war,  ist, dass irgend  wann klar war, dass nicht alle Polizisten beteiligt waren. Man hätte den strafrechtlichen Vorwurf gegen einige Polizisten, die dort anwesend waren, einstellen können und dann hätten diese Leute auch sprechen können. Das haben sie aber nie getan. Und das ist so ein Beispiel, dass man nie aufklären konnte, was ist da eigentlich passiert. Was ist schief gelaufen.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Wenta

25:02.Als ich den Abschlussbericht gelesen habe, da hat sich bei mir eine tiefe Traurigkeit breit gemacht. In diesem Bericht stand drinne, das Verfahren ist eingestellt. Das heißt, ich musste erstmal für mich begreifen:  es kommt zu keiner Anklage, obwohl 13 Polizisten direkt in der Umgebung waren, obwohl es Fotos gab kurz nach der Tat, Zeugen gab. Offensichtlich wenigstens einen Polizisten gab, der nicht weiß, was er mit diesem Gummiknüppel machen, und vor allem was er lassen muss. Ein Mann von dem ich denke, dass er völlig überfordert war, in der Situation. Und vor allem eine tickende Zeitbombe ist. Und zwölf andere, die diese tickende Zeitbombe na ja wenigstens schützen. 

 

Atmo Musik

 

O-Ton Behrendes 1/13:00

Natürlich ist das sofort auch ein Ereignis, was von den Medien aufgegriffen wird. Es wird skandalisiert. Und mir ging es dann so, dass ich im Grunde glorifiziert wurde. Ich wurde, ohne dass ich jemanden ein Interview gegeben habe, prangte ich auf einmal auf der Titelseite einer Boulevardzeitung. Mit der Anmoderation: Bonns mutigster Polizist. Und dieses Lob von außen ist nicht unbedingt ein Türöffner nach innen. Sondern ist eher ein Grund sich nach Innen rechtfertigen zu müssen. Weil gerade mit so einer Schlagzeile eher der Eindruck entsteht, der profiliert sich nach außen, auf Kosten eines Kollegen.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Wenta

33:57 Hätte es damals so etwas gegeben, wie eine individueolle Kennzeichnungspflicht, das heißt,  ein Polizist hätte eine Nummer oder einen Namen gehabt, hätte dieser Mann vielleicht identifiziert werden können. Nicht unbedingt durch mich, das war in der Situation nicht möglich. Aber es gibt immer Menschen, die Zeugen des Vorfalls sind. Es hätte vielleicht auch Polizisten, die das gesehen haben, die Chance gegeben, sich sicher zu sein, dass war der und der Kollege. Es hätte also dem gesamten Umfeld die Möglichkeit gegeben, diesen Menschen zu identifizieren. 

 

Atmo Musik

 

O-Ton Behrendes

1/1-23:14 Ich habe selber überzogen früher. Ich war einundzwanzig, stand auf der Deutzer Brücke. Machte ne Verkehrskontrolle. Und hielt einen Wagen an, mit vier aus der Altstadt kommenden Leuten. Eine Wolke von Alkohol schlug mir entgegen. damals gab es noch die alten Alko-Tests, wo noch so ein Beutel zu füllen war. Dieser Fahrer des Fahrzeuges kriegte nie den Beutel voll gepustet. Und machte mich die ganze Zeit lächerlich. Nach dem das so fünf Minuten hin und her ging, dann kommen sie mit zur Blutprobe. In dem Moment rannte der los. Und rief mir zu, wollen doch mal sehen wer schneller ist. Es war im Winter. Ich hatte nen Parka an. Bin dann in voller Montur hinter dem her gerannt. Habe den mehrere 100 m am Rheinufer verfolgt. Und letztlich japsend dann gekriegt. Und habe dem als erstes sofort eine gescheuert. Das hat mir damals sehr sehr viel Kopfzerbrechen gemacht. Ich weiss, dass ich dann eine Nacht mit meiner Frau gesessen habe und gesagt habe, was muss ich jetzt machen. Soll ich mich jetzt selber anzeigen? Ich hatte mich gerade für den Aufstieg beworben. Um Polizeikommissar zu werden. Ich wusste, wenn du das machst, kannst du das alles vergessen. Dann wird ein Strafverfahren eingeleitet. Dann werden Disziplinarverfahren eingeleitet.  Also ich hab das sehr gut in Erinnerung, wie ich eben auch als  heißspornigerer junger Mann mit Sicherheit manchmal Öl ins Feuer gegossen hab.

 

Atmo Musik

 

O-Ton Spieß ai

39:00 Damit sich was verändert bei der Polizei haben wir insbesondere vier Forderungen. Wir fordern zum einen, dass alle Polizisten in jedem Kontext identifizierbar sind. Sei es durch Namen sei es durch Nummern. Wir fordern zum anderen, dass Vorwürfe gegen Polizisten unabhängig, unmittelbar, umfassend und unparteilich ermittelt werden. Polizei kann nicht gegen Polizei ermitteln, das haben die Fälle gezeigt. Deswegen setzen wir uns für einen unabhängigen Untersuchungsmechanismus ein. Wir fordern weiterhin, dass Polizisten regelmäßig über Menschenrechte geschult werden.  Und wir fordern, dass in der Polizeiwache die Videoüberwachung eingeführt wird, damit bei Misshandlungsvorwürfen, die Bänder gesichtet werden können, damit der Sachverhalt aufgeklärt werden kann. 

 

O-Ton Udo Behrendes

2/5 Die besondere Problematik liegt darin, dass jedes polizeiliche Fehlverhalten im Bereich der Gewaltanwendung sofort den Verdacht einer Straftat begründet, mit der strafrechtlichen Konsequenz, dass ein Polizist, der ein Fehlverhalten seines Kollegen beobachtet, sofort gezwungen ist, eine Anzeige zu erstatten. Und damit quasi seinen Kollegen auszuliefern, an die Staatsanwaltschaft. Und ihm jede Möglichkeit genommen wird, das selber mit ihm aufzuarbeiten. Das ist eine besondere Zuspitzung und Anforderung und manchmal Überforderung an einen Polizisten.  14:44 Etwas, was ich gerne ausprobieren möchte, wäre eine andere Institution zu finden, die mit diesem Fehlverhalten angemessener umgeht. Die Überlegung, die es ja auch schon seit vielen Jahren gibt, einen Ombudsmann einzurichten. Wo gerade bei den „kleinen Übergriffen“, da rutscht einem die Hand aus oder so was, ne Möglichkeit gibt sich zu entschuldigen.  Dass man möglichweise einen Schadenersatz vereinbart.  Denn dieses klassische Anzeigenerstatten und die Staatsanwaltschaft kümmert sich darum, das ist eigentlich keine adäquate Aufarbeitung des Konflikts innerhalb der Polizei selber. 

 

Atmo Musik

 

O-Ton Wenta

38:50 Ich glaube, wir kennen alle dieses Gefühl, wenn uns Unrecht geschieht. Das ist ein ganz schlimmes Gefühl. Das bohrt in einem. Das treibt um. Das macht unruhig. Das brennt sogar manchmal. Dieses Gefühl, mir ist Unrecht passiert.Das ist ein ganz ganz schlimmes Gefühl, ein schmerzhaftes Gefühl, wenn das nicht gesühnt wird. Wir brauchen, wenn uns Unrecht geschieht, ganz unbedingt jemanden, der sich vielleicht auch entschuldigt. Die Polizei hat sich niemals bei mir entschuldigt. Der Polizist, der mich zusammengeschlagen hat, hat sich nie zu seiner Tat bekannt.  Es tut sehr weh, wenn ich, die ich Opfer von Polizeigewalt  geworden bin, immer wieder, nämlich wenn ich einen Polizisten sehe, daran erinnert werde, dass das Unrecht nicht gesühnt wurde. 

 

Atmo Musik