Zwei Welten, Dokutheaterstück, Kammerspiele Bonn Bad-Godesberg

Zwei Welten

Ein Dokustück von Ingrid Müller-Münch  

Spielfassung: Ingrid Müller-Münch und Frank Heuel

Eine Stadt verändert sich: Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, war Bad Godesberg der Diplomaten- und Beamten-Stadtteil, ein ruhiger, wohlhabender Kurort am südlichen Rand des republikanischen
Machtzentrums. Eine sorgfältig gepflegte Oase zwischen dörflicher Idylle und internationalem Flair, mit teuren Geschäften, edlen Restaurants und renommierten Privatschulen.
Der Regierungsumzug brachte der Stadt einen Neubeginn – was bedeutet das für Bad Godesberg? Vor allem Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur: Der Anteil ausländischer Einwohner änderte sich statistisch zwar kaum, der Altersdurchschnitt sank nicht massiv. Es siedelten sich allerdings verstärkt Bürger mit Migrationshintergrund an, die hier arbeiten und bleiben wollen. Das Stadtbild hat sich verändert. Wo früher schicke Boutiquen zu finden waren, öffnen nun Billigshops, Fastfood-, Döner- und Internetläden ihre Pforten. Im Sommer sitzen in der Abenddämmerung tief verschleierte Frauen auf den Bänken des Theaterplatzes. Im Kurpark kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendgangs und Schülern eines Elite-Gymnasiums.
Eine wohl einzigartige Situation in Deutschland: Denn Bad Godesberg ist eben kein gewachsener „Problemstadtteil“. Wo bodenständiges Kleinbürgertum, liberalkonservatives Bildungsbürgertum und die Welt der Politik, der Diplomatie und der Lobbyisten sich trafen, prallen jetzt buchstäblich zwei Welten aufeinander – was nicht ohne Schwierigkeiten abgeht, aber gleichzeitig neue Perspektiven des Zusammenlebens eröffnet.

Das THEATER BONN hat die Kölner Journalistin und Autorin Ingrid Müller-Münch beauftragt, in Bad Godesberg zu recherchieren, mit Bewohnern zu sprechen, und besonders mit den Jugendlichen. Entstanden ist aus ihren Interviews ein Theatertext über die Probleme und Chancen, aus zwei Welten einen Stadtteil zu formen

Frank Höller, WDR 5, Scala Christof Ernst, Express

Denn die einen stehn im Dunkeln und die andern stehn im Licht

 

Die Bühne ist leer und aufgerissen, man sieht das Mauerwerk der Rückwand, die Seiten sind offen und einsehbar. Gleich zu Beginn wird dem Zuschauer klar: Hier geht es nicht um Theaterzauber, sondern um Geschichten aus dem echten Leben, dem Leben hier vor der Haustür.
Eine Frau tritt auf. Sie erzählt von einem Grillfest im Kurpark und dem plötzlichen und brutalen Überfall einer Jugendgang auf eine Schülergruppe. Ein jugendlicher Migrant spricht über deutsche Opfer und sagt: „Es gibt drei Kategorien von Deutschen. Erstens Nazis, zweitens solche, die wie wir sind und drittens Opfer.“ Schnell wird in diesem Stücke klar: Viele dieser Jugendlichen finden nur in der Gruppe Anerkennung und Halt:
Die acht Schauspieler der Inszenierung erzählen die Geschichten direkt ins Publikum. Sie sprechen die Texte meist sachlich. Die Rollen werden mal von Männern, mal von Frauen gespielt. Regisseur Frank Heuel erreicht mit diesem Kunstgriff einen ständigen Wechsel der Perspektive. Dennoch ist der Abend keine szenische Lesung sondern lebt von vielen oft auch unterhaltsamen Regie-Ideen.
Etwa die beiden hervorragenden Beatboxer, die mit dem Mund Schlaginstrumente nachahmen. Oder verwöhnte Elite-Schüler, die genüsslich erzählen wie gut es tut, richtig viel Geld auszugeben.

„Zwei Welten“ ist ein hoch aktueller Theaterabend, der nachdenklich macht, aber auch in vielen Momenten die Zuschauer berührt. Das „Doku-Experiment“ ist gelungen. Vom Publikum gabs viel Applaus für Ensemble, Autorin und Regie.

 

 

Bad Go: Beifall für starke Theater-Doku

Das hätte eine große Peinlichleit werden können, diese Uraufführung von „Zwei Welten“ in den Kammerspielen. Denn es ging um Gewalt und Bandenkriege und um das schwierige Miteinander in Bad Godesberg. Es war zu befürchten, dass dabei ein Gut-Mensch-Stück herauskommt mit viel Multi-Kulti-Soße und der Botschaft: Wir – Ausländer und Deutsche – können doch zusammenleben, wenn wir nur wollen.
Können wir eben nicht! Zumindest dann nicht, wenn Sünden wie in Bad Godesberg begangen werden, wenn ganze Siedlungen vollgestopft werden mit Hartz-IV-Empfängern und Migranten, während in den Nobelvierteln gleich um die Ecke die Fahne der Gutbürgerlichkeit hochgehalten wird. Das gibt Konflikte, die sich in Gewalt entladen, wie 2007, als eine Migranten-Gang im Kurpark mehrere Schüler des Elitegymnasiums AKO übel verdrosch.
Zoff in Bad Go: Dazu hat Journalistin Ingrid Müller-Münch 60 Menschen interviewt – Schüler, Lehrer, Priester, Fußballtrainer, Sozialarbeiter. Es sind ernüchternde Protokolle geworden, die Regisseur Frank Heuel in präzisen, intensiven Szenen auf die Bühne bringt.
Sein Kniff: Er lässt die Äußerungen von Schauspielern sprechen, mal im Chor, mal in der Bewegung – das hat manchmal den Rhythmus einer antiken Tragödie.
Nur einmal, als der ganz und gar großartige Rolf Mautz in herrlichen Bönnsch einen Geschäftsmann zu Wort kommen lässt, gibt es Minuten der Entspannung. Ansonsten sind das zweieinhalb Stunden wichtiges Doku-Theater, weil es nie belehrt und jede Form von Sozialkitsch weiträumig umfährt. Der Beifall war stark und intensiv – wie der ganze Abend

  Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.11.2009
 
Ein Überfall wie ein Spuk
Jugendliche Migranten verprügeln deutsche Eliteschüler, und das beschauliche Bad Godesberg erlebt explosionsartig „Zwei Welten“, die nun auch in einem Theaterstück aufeinanderstoßen.
Die Aufführung in den Bonner Kammerspielen in Bad Godesberg leistet, was sich Theater oft vornimmt und selten einlöst: Der Zuschauer kommt anders heraus, als er hineingegangen ist. Und sei es, dass er nur genauer auf das Umfeld blickt, das hier Thema wird. Gewiss war ihm aufgefallen, dass viele Frauen in Burkas an Sommerabenden über den Theaterplatz in Bad Godesberg flanieren und die Apotheke in der Passage ihre Kunden auch auf Arabisch anspricht. Und wie oft hat er vor dem klassizistischen Rathaus der 1969 nach Bonn eingemeindeten Stadt das Auto abgestellt und den Weg durch den Park zu den Kammerspielen genommen – und spätabends wieder zurück. Hier, im Kurpark, hat sich ereignet, was das Theaterstück „Zwei Welten“ aufgreift.
 

Im August 2007 treffen sich Schüler eines Gymnasiums auf den Wiesen neben den Tennisplätzen, zu einer Vor-Abitur-Fete, als plötzlich VW-Bullys vorfahren und jugendliche Migranten absetzen, die, bewaffnet mit Messern, Baseballschlägern und Eisenstangen, auf die Gruppe losgehen, sie provozieren, prügeln, ausrauben und schnell wieder verschwinden. Ein Überfall wie ein Spuk. Einer, der mit blauen Flecken davonkommt, ist der Sohn des Bonner Intendanten Klaus Weise, der, bestürzt und ratlos, es genauer wissen will: Was ist los in Bad Godesberg?
Beschauliche Lage am Rhein, Blick aufs Siebengebirge. Die Söhne des Kaisers, die in Bonn studieren, schätzen es als Ausflugsziel, und der Führer logiert oft im Hotel Dreesen. Der Luftkrieg verschont das Städtchen, die provisorische Hauptstadt macht das Villen- zum Diplomatenviertel. Multikulti de Luxe. Doch mit der Regierung ziehen nicht nur Botschafter und hohe Beamte nach Berlin, sondern auch Fahrer, Köche, Handwerker, Gärtner. Wohnungen werden frei und oft von Zuwanderern übernommen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Stadt gewandelt: Aus der Bonner Straße ist ein orientalischer Boulevard mit Gemüseläden, Dönerbuden, Kulturvereinen und Internetcafés geworden. Zwei Welten. Die Alteingesessenen haben mit den neuen Nachbarn so wenig zu tun wie zuvor mit den Diplomaten. Die Jungen geraten aneinander: Eliteschüler gegen Jugendbanden, künftige „Event-Manager“ gegen Sozialhilfeempfänger, „deutsche Pisser“ gegen „Scheiß-Kanaken“.

 

 

 

 

 

Das Theater Bonn hat die Kölner Journalistin Ingrid Müller-Münch beauftragt, in Bad Godesberg zu recherchieren. Die erfahrene Gerichtsreporterin hat mit Opfern und Tätern, Jugendlichen und Lehrern, mit Polizisten, Sozialarbeitern, Pfarrern, Ladenbesitzern, Richtern, Politikern, Anwohnern und einem „Türöffner“ gesprochen, der ihr Informanten und Ansprechpartner in der Szene vermittelt hat. Aus fast sechzig Interviews ist das Buch „Zwei Welten – Protokolle einer Stadt im Wandel“ (Emons Verlag, Köln) entstanden: Material für ein Dokustück, aus dem der Regisseur Frank Heuel eine Spielfassung entwickelt hat.
Acht Kinder betreten die Bühne. Nehmen Aufstellung entlang der Rampe. Schauen. Schweigen. Rufen plötzlich „Huaah!“ und laufen lachend weg. Erschrecken lassen erst die acht Schauspieler, die ihnen folgen. Eine Augenzeugin schildert den Überfall: „Sie kamen aus Richtung Post, wie an einer Perlenschnur aufgereiht. Nicht wie zufällig, sondern wie geschickt.“ – „Mir wurden alle Vorderzähne eingeschlagen“, zeigt ein Gymnasiast, ein anderer prahlt mit exklusiven Partys: „250 Euro Mindestverzehr.“ Oder mit dem Dress-Code: „Mein Hemd ist Zara. Die Hose Tommy Hilfiger. Schuhe sind Timberland. Jacke Zara.“ Eine türkische Schülerin schüttelt den Kopf über einen Busfahrer, der ihr, als sie allein an der Haltestelle steht, den Vogel zeigt und demonstrativ vorbeifährt: „Nach dem Motto: Eine mit Kopftuch kommt mir nicht rein.“ Ein Geschäftsmann schildert, wie er dreimal die Fassade renovieren ließ und ihm die Mahnungen an die Kunden des Telefonladens nebenan Hakenkreuz-Schmierereien eintrugen. Ein Fußballtrainer gibt zu Protokoll, wie sein Integrationsmodell von einem syrischen Club torpediert wurde, der die jungen Leute abwarb und ihnen alles durchgehen lässt. „Ich sage nicht, Deutsche sind schwach; aber die trauen sich nicht wie Ausländer draufzuschlagen. Die wehren sich nicht“, findet ein syrischer Kurde, und ein junger Marokkaner erklärt seine Einsamkeit zwischen den Ethnien: Weil er aussieht wie ein Deutscher, werde er angemacht, und wenn er dann Arabisch spreche, gar nicht verstanden.
Biographien, Begebenheiten, kleine Geschichten werden angerissen. Alte spielen Junge, Männer auch Frauen – und umgekehrt. Jeder steht für sich, jeder kommt zu seinem Recht. Unterschiede werden aufgezeigt, keine Lösungen. Was daraus folgt, ist eine Frage, die das Publikum beantworten muss. Nicht jede Szene schlägt an, manches wirkt schlicht, süßlich, anekdotisch. Aneinandergefügt ergeben sie keine Diagnose und schärfen doch die Aufmerksamkeit für eine explosive Gemengelage aus Vorurteilen, Feigheit, Gewaltbereitschaft, Sozialneid, Ausgrenzung, Ratlosigkeiten, Unverständnis. Die Bühne als Brennglas. Das Theater rückt in die Mitte der Stadt. 

Autor: Andreas Rossmann

Pressemitteilung

mit der freundlichen Bitte um Veröffentlichung und Weiterleitung an Ihren Veranstaltungskalender

 

 

Die Aufmerksamkeit lässt nicht nach:

Berichterstattung zu „ZWEI WELTEN“

Spezial-Sendung zum Thema auf RTL

 

Es ist viel berichtet worden über das Dokustück ZWEI WELTEN von THEATER BONN, das nach monatelanger Recherchearbeit der Journalistin Ingrid Müller-Münch über Bad Godesberg im Oktober letzten Jahres zur Premiere kam. Aus über 60 Interviews mit Politikern, Geschäftsleuten, Migrationsbeauftragten, Lehrern und vor allem mit Jugendlichen – vom Eliteschüler über rappende Gangmitglieder bis zum Schulabgänger der König-Fahd-Akademie – ist ein Theaterabend entstanden, der schon in der Vorberichterstattung für große Aufmerksamkeit sorgte: Neben den lokalen Medien gab es unter anderem ein 4-seitiges Panorama in der Frankfurter Rundschau und auch Bild und RTL kommentierten, nicht immer ganz sachlich, die Bad Godesberger Verhältnisse und die Entstehung des Theaterstücks.

Die Vorstellung selbst wurde prominent besprochen, unter anderem konstatierte die FAZ: Die Aufführung leistet, was sich Theater oft vornimmt und selten einlöst: Der Zuschauer kommt anders heraus, als er hineingekommen ist. Die Bühne als Brennglas: Das Theater rückt in die Mitte der Stadt.

 

Das bestätigt auch der große Gesprächsbedarf. THEATER BONN bietet deshalb nach jeder Vorstellung Publikumsdiskussionen an, die rege angenommen und geführt werden. In nunmehr 14 ausverkauften Aufführungen sahen etwa 5.500 Zuschauer das Stück.

In dem Rahmenprogramm ZWEI WELTEN: LIVE führt THEATER BONN die Gespräche und Diskussionen mit Politikern, Lehrern, Projektleitern und Jugendlichen fort. Zur nächsten Veranstaltung sitzen u.a. der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und Ayyub Axel Köhler, Vorstandsvorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, auf dem Podium.

Auch RTL bleibt interessiert am Phänomen der zwei Welten in Bad Godesberg und wird am Montag, den 8. März, 22.15 Uhr in „RTL Extra“, einem einstündigen Special, über Situation und Stück berichten. Das Thema bleibt aktuell, das Interesse ungebrochen. Im Anhang finden Sie eine Auflistung der Berichterstattungen.

 

Die nächsten Vorstellungen sind am 25. Februar, 6., 19. und 28. März in den Kammerspielen in Bad Godesberg.

 

Mit freundlichen Grüßen

Monika Madert

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REZENSIONEN

 

Hörfunk

WDR 5 Scala (Frank Höller),
Sendung vom 2.11.2009

Deutsche Welle (Cornelia Rabitz), Sendung vom 31.10.2009

Deutschlandradio (Diana Netz),
Sendung vom 30.10.2009

 

Printmedien

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Rheinischer Merkur

General-Anzeiger, Bonn

Bonner Rundschau

EXPRESS, Bonn

Schnüss (Bonner Stadtmagazin), 11/2009

 

Online-Medien

Netzeitung.de

Nachtkritik.de

Bonn.de (Empfehlung des Oberbürgermeisters der Stadt Bonn Jürgen Nimptsch)

 

VORBERICHTERSTATTUNG

 

Hörfunk und Fernsehen

RTL „Guten Abend RTL“ (28.10.2009)

WDR Fernsehen „Lokalzeit“ (30.10.2009)

WDR 5 Scala (Nicole Strecker), Sendung vom 29.10.2009

WDR 5 „Westblick“, Sendung vom 30.10.2009

 

Printmedien

Frankfurter Rundschau

DIE WELT

Darmstädter Echo

Nürnberger Zeitung

Berliner Morgenpost

BILD Köln

dpa (Edgar Bauer)

General-Anzeiger, Bonn

BOULEVARD, Beilage des Bonner General-Anzeigers

EXPRESS, Bonn

Rhein-Zeitung, Koblenz

 

Online-Medien

evangelisch.de

WDR.de (Nina Giaramita)

Kultur-in-bonn.de