Deals vor Gericht / Neugier genügt

Redaktion Dr. Ingrid König,18-Minuten-Feature, gesendet am 24.5.20

Eigentlich soll im Verlauf eines Strafprozesses geklärt werden, ob der Angeklagte schuldig oder unschuldig ist. Dazu müssen – eigentlich – Zeugen gehört  und Indizien geprüft werden. Doch darum geht es längst nicht mehr. Oft ist einziges Bestreben der an einer Hauptverhandlung beteiligten Juristen, das Verfahren  möglichst schnell  hinter sich zu bringen. Vieles deutet darauf hin, dass wirtschaftliche Erwägungen und nicht die Suche nach Gerechtigkeit und Aufklärung immer häufiger Strafprozesse bestimmen. Kurz und knapp soll die Sache über die Gerichtsbühne gehen. Das gelingt am besten dann, wenn sich die Prozessbeteiligten auf eine Absprache, einen sogenannten Deal einlassen. Für das Geständnis des Angeklagten winkt als Belohnung eine erhebliche Strafminderung.  Dadurch wird  eine aufwendige Beweisaufnahme abgekürzt, eine zeitraubende Hauptverhandlung erspart. Wer profitiert davon, wer hat das Nachsehen? Ingrid Müller-Münch zur Dealpraxis vor Gericht.

 

 

 

 

 

 

 

 

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O-Ton 5069001/8:  Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Es werden verurteilt der Angeklagte .(ausblenden)

 

Autorin: Ende eines Strafprozesses: Das Urteil. Doch der Strafprozess ist nicht mehr das, was er mal war. Die prozessualen Usancen haben sich klammheimlich verändert.

 

O-Ton Richter Haller 222/ 11:44 Also, in meiner Einschätzung bewegt sich die Justiz in einer Abwärtsspirale. 11:06 Das ist völlig außer Tritt geraten.

 

Autorin: – zulasten der Wahrheitsfindung, kritisiert der Bonner Strafrichter Klaus Haller.

 

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Autorin: 2006. Nach sechs Jahren justiziellem Hin – und Her-Gezerre geht eines der spektakulärsten Wirtschaftsverfahren dieses Landes zu Ende, der sogenannte Mannesmann-Prozess. Angeklagt waren unter anderem Deutsche-Bank-Vorsitzender Josef Ackermann und Ex- Mannesmann-Chef Klaus Esser. Es ging um 57 Millionen Euro, die beim Mannesmannverkauf an Vodafone flossen. Aber: Das Verfahren endet nicht mit einem Urteil.

 

5137828 1:10 Am Schluss wurde nur noch schnell kurzer Prozess gemacht. Das Düsseldorfer Landgericht folgte damit ohne Abstriche einer Absprache der Staatsanwaltschaft und Verteidigung, die sich in der vergangenen Woche auf dieses Ende verständigt hatten. Moderner Ablasshandel und Freispruch erster Klasse waren die Reaktionen.

 

Autorin: Ein unter Juristen immer gebräuchlicheres Mittel, eine Hauptverhandlung mit schwieriger Beweislage und entsprechend aufwändiger Zeugenbefragung zu beenden:

 

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Autorin: Die ehemalige WDR-Chefredakteurin Helga Kirchner argumentierte in einem Funkhausgespräch mit weiteren Beispielen, als die Folgen dieser Rechtspraxis zur Diskussion standen.

 

51418111 Helga Kirchner  5:05: Es hat in der jüngsten Vergangenheit einige spektakuläre Prozesse gegeben, die mit einem sogenannten Deal beendet wurden. Das Verfahren wegen schwerer Untreue gegen den Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann wurde gegen eine Geldstrafe eingestellt. Auch der Prozess gegen VW-Personalchef Peter Hartz, der zwei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe erhielt, wurde mit einem Deal zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung abgeschlossen. Und der ehemalige Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls, angeklagt wegen Vorteilsnahme und Steuerhinterziehung, kam mit einer ungewöhnlich gnädigen Strafe davon. Solche Fälle hinterlassen in der Öffentlichkeit den Eindruck, die Justiz kusche vor Macht und Geld und vor allem Reiche und Mächtige  profitierten von derartigen Deals.

 

Autorin: Ein Eindruck, dem Richter Haller nicht wiederspricht:

 

O-Ton Richter Haller 222/9:50 Absprachen sind vom gesetzgeberischen Wirken her, aus meiner Sicht, im Grunde genommen ein Schutzwall für Täter in weißen Hemden. Der einfache Straftäter hat von Absprachen nichts. Der Räuber, der aus der Bank kommt, von der Polizei da in Empfang genommen wird, der hat dem Gericht nichts anzubieten. Es ist ja ein Geben und Nehmen. Wenn ne klare Beweislage, in nem überschaubaren Fall da ist, warum sollte ein Gericht mit dem Angeklagten irgendwelche Deals eingehen? Man hat ja im Grunde genommen die ganze Beweissituation im Sack. Der Wirtschaftskriminelle, bei dem ich vielleicht lastwagenweise Aktenordner aus Durchsuchungen sichten, auswerten, bewerten muss, in der Hauptverhandlung einführen muss, wo ich vielleicht 20, 30, 40 Hauptverhandlungstage brauche, um das Verfahren zu Ende zu bringen – der kann mir was anbieten, weil er sagt, wenn ich dir ein Geständnis liefere, dann musst du vielleicht 20 Tage weniger Hauptverhandlung machen. Das ist interessant.

 

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Autorin: Nichts hat die Justiz in den vergangen Jahren so gespalten, nichts die Öffentlichkeit so gegen sie aufgebracht, nichts ihr so viel negative Schlagzeilen beschert wie die Praxis, einen Prozess durch eine Art Tauschhandel zu verkürzen, ganz nach dem Motto: Lieferst Du mir ein Geständnis, gebe ich Dir Strafrabatt. Warum beteiligen sich hieran immer häufiger Ankläger, Verteidiger und Richter? Rechtsanwalt Armin Golzem und Richter Klaus Haller:

 

O-Ton RaGolzem 3:38 Das Gericht erspart sich in der Regel sehr, sehr viel Arbeitsaufwand und Zeit, weil durch den Deal die Beweiserhebung erheblich verkürzt wird. 1:06 Mit Deals hab ich tagtäglich zu tun, weil ich ja Strafverteidiger bin. Und praktisch jeden Tag in die Situation komme mich zu fragen, ob ich mich auf einen Deal einlasse.  Also, der Deal ist sozusagen eine ganz alltägliche Problematik für den heutigen Strafverteidiger.

 

5146377 Track 3 Urteil im Foltermord-Prozess Nachrichten ausgeblendet und übergehend in Autorin

 

Autorin: Doch manch einem Deal haftet ein unangenehmer Nachgeschmack an. Während  drei junge Häftlinge aus der Siegburger Justizvollzugsanstalt wegen Mordes an einem Mitgefangenen vor Gericht standen, wird einer der Anwälte mit den Worten zitiert:

 

Sprecher: Deals, den mir die Staatsanwaltschaft angeboten hat, war: Keine Attacken der Verteidigung gegen die Missstände in der Justizvollzugsanstalt Siegburg. Dazu ein umfassendes Geständnis. Im Gegenzug wurde mir ein mildes Urteil für meinen Mandanten in Aussicht gestellt.

 

 

Autorin: Eine Unterstellung, gegen die sich die Bonner Staatsanwaltschaft natürlich verwahrte. Aber die Kungeleien und Absprachen in Strafprozessen nehmen mancherorts  schon eigenartige Formen an. So bestätigte im  Schmiergeldprozess gegen den ehemaligen VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz die Braunschweiger Anklägerin öffentlich, dass man  als Gegenleistung für ein Geständnis eingewilligt habe, keine Prostituierten als Zeuginnen vor Gericht aufmarschieren zu lassen.

 

5140694- CD3 9:00 Pfui rufe, Schäme Dich, Arbeiterverräter, Tumult.

Autorin: Ein weiterer Fall: Das sogenannte Kölner Kunstfälscher-Verfahren. Auch da  wurde kurzer Prozess gemacht – sehr zum Bedauern der Kunstszene, die sich durch eine aufwändige Beweisaufnahme einen Einblick in diese schillernde Welt des Kunsthandels erhofft hatte.

 

5184862-2 Anfang: Nachrichtensprecherin: Heute gibt’s das Urteil im spektakulären Kunstfälscherprozess von Köln. 6 Jahre bekommt der Hauptangeklagte. Frank Überall war bei dem Prozess dabei:  48:44 Frank Überall: Es ist in der Tat ein mildes Urteil. Im Vorfeld hatte es eine Absprache, einen Deal gegeben. Das sehen die Gesetze neuerdings vor.  Die Justiz hatte ursprünglich vorgehabt, 40 lange Verhandlungstage zu verhandeln. Und man hatte darauf gehofft, dass hier internationale Kunstexperten kommen und das alles mal erklären. Das fällt jetzt aus. Das Verfahren wurde abgekürzt und als Belohnung sozusagen gabs diese relativ milden Strafen.

 

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Autorin: Deals im Strafprozess hat es immer schon gegeben. Sie hießen früher nur anders.  Anwalt Golzem :

 

 

O-Ton RAGolzem 7:26 Also, die Geschichte des Deals ist so alt wie der moderne Strafprozess. Das muss man so sagen. Zum ersten Mal richtig wahrgenommen als Problematik wurde der Deal durch einen Artikel im Jahre 1980. Und zwar von einem Autor, der sich Detlef Deal aus Mauschelhausen nannte.7:52 Der ist in einer Strafverteidiger-Zeitschrift erschienen. Und Detlef Deal war der erste, der das informelle Verfahren, das sich damals im wesentlichen auf den Fluren abspielte, problematisierte und aufzeigte, dass hier Geschäfte getrieben werden zwischen den Verfahrensbeteiligten zum Zwecke der Arbeitsersparnis und der Zeitersparnis. Und dass das nicht selten auch auf dem Rücken der Angeklagten geschah.

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Autorin: Nicht nur die Öffentlichkeit beurteilt Deals vor Gericht äußerst skeptisch. Auch unter Juristen ist der Tauschhandel: „mildes Urteil gegen schnelles Geständnis“ höchst umstritten.

 

Sprecher:  Kritiker sehen darin einen unwürdigen Handel mit der Gerechtigkeit, eine Bankrotterklärung der Strafjustiz, bei der die Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt.

 

Autorin: Pragmatiker sehen vor allem bei komplizierten Verfahren eher die Arbeitserleichterung, ohne die das Pensum mancher Strafkammern gar nicht mehr zu bewältigen wäre. Amtsrichter Reiner Lindemann sieht einen weiteren Grund, im Vorhinein ein Geständnis zu honorieren: Opfern von Gewalttaten, von Vergewaltigungen oder Missbrauch kann er so ersparen, dem Täter vor Gericht noch einmal gegenübertreten, alles noch einmal im Zeugenstand heraufbeschwören zu müssen, was sie so gerne vergessen würden:

 

O-Ton-Lindemann  18:42  Ich persönlich finde es gut, dass es eine solche Regelung gibt. Man muss ja nicht Gebrauch davon machen, aber es gibt sicherlich viele Verfahren, bei denen es sich anbietet, zu einer Verständigung zu kommen. Damit man, seien es Opfer oder seien es sonstige Beteiligte an einem Verfahren, schlimme Auftritte, schlimme Erlebnisse, die über das, was bereits geschehen ist hinausgehen müssten, ersparen kann.

 

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O-Ton RA Golzem 20:07 Im Jahre 2009 wurde ein eigenes  Gesetz zur Regelung  der prozessbeendenden Absprachen, wie das offiziell heißt, eingeführt. Das sich im wesentlichen in den §§ 257 c der Strafprozessordnung verkörpert. Dieses Verfahren zeichnet sich vor allen Dingen dadurch aus, dass alle  Gespräche, die früher völlig informell und ohne jede Dokumentation geführt wurden,  auf Fluren, an Telefonen, in Kneipen, zwischen den Richtern, den Staatsanwälten und den Verteidigern – in übrigens wechselnder Besetzung, häufig wurde bei Gesprächen entweder der Verteidiger ausgeschlossen, weil der Richter und der Staatsanwalt sich verständigten. Oder der Richter verständigte sich mit dem Anwalt und dann wurde der Staatsanwalt ausgeschlossen. Alles das ist in dieser Form nicht mehr möglich, da sämtliche Gespräche, wann und wo immer sie geführt werden, dokumentiert werden müssen durch Aktenvermerke.  Ein arbeitsaufwändiges Verfahren.

 

Autorin: Allzu wild wucherte die Dealpraxis, es gab keine Regeln – das war die Situation,  als 2009 über das Gesetz beraten wurde. Ein kategorisches Verbot derartiger Deals erschien illusorisch, also suchte man nach einer Grundlage, sie zu legalisieren. Die damalige Justizministerin Brigitte Zypries:

 

O-Ton 5169397-1 Brigitte Zypries ca. 24 Min. Der wesentliche Punkt der sich jetzt ändert ist, dass wir die Absprache aus den Hinterzimmern rausholen, sogar von der Herrentoilette rausholen. Dass wir sagen, eine Absprache kann überhaupt nur getroffen werden, wenn es in öffentlicher Hauptverhandlung stattfindet.

 

Autorin: Das Gesetz, das den Wildwuchs auf den Gerichtsfluren eindämmen sollte,  stieß auf heftige Kritik, in der Öffentlichkeit aber auch bei Juristen:

 

 

O-Ton Richter Haller 222/0:21 Der klassische Strafprozess wurde zu Grabe getragen.  222/16:43 Wenn wir uns von dem Gedanken entfernen, dass das Strafverfahren ein gerechtes Ergebnis produzieren soll und zwar auf der Grundlage einer Beweisaufnahme, die dazu führt, dass man wirklich heraus bekommt, was gewesen ist – nur dann kann man ja ein gerechtes Urteil fällen –  dann möchte ich solche Strafverfahren nicht haben.

 

Autorin: Politikredakteur und Jurist Heribert Prantl schrieb für die Süddeutsche Zeitung in einem harschen Kommentar:

 

Sprecher: Aus Mauschelei wird Gesetz. Der neue Strafprozess ist ein Tauschprozess.  Das neue Gesetz erlaubt die Umwandlung des Gerichtssaales in einen Bazar.

 

 

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Autorin:  Legalisierte Praxis ja, dennoch kann ein Deal ein Verfahren auch wieder komplizieren. Vor einigen Wochen erst rügte das Bundesverfassungsgericht, dass aus dem Protokoll eines Prozesses gegen einen mutmaßlichen Drogenhändler aus Sachsen nicht eindeutig hervorgehe, ob sein Urteil nun auf einer Absprache –  also einem Deal – beruhe oder nicht.

 

Sprecher:  Es ging  dabei  um die Frage: Hatten sich Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht auf eine Lösung des Falles verständigt? Die Verteidigerin sagt, es habe eine Absprache „Geständnis gegen sofortige Entlassung aus der U-Haft“ gegeben. Die Staatsanwältin sagt, man habe zwar verhandelt, sich in wesentlichen Punkten aber nicht einigen können. Der Richter konnte sich nicht mehr erinnern. Im Protokoll war kein solcher Deal vermerkt.

 

Autorin: Unklarheiten und Undurchsichtigkeiten, die das neue Gesetz eigentlich beseitigen sollte, haben sich also nur verlagert.

 

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O-Ton RaGolzem 48:22 Natürlich ist das Phänomen inzwischen so weit verbreitet, dass man´s nicht einfach durch eine gesetzgeberische Maßnahme aus der Welt schaffen kann. Darüber beklagen sich alle, die prinzipiell gegen den Deal sind. Aber man muss eben sehen, dass das Gesetz, was jetzt ergangen ist, zu ner gewissen Zivilisierung dieses Verfahrens geführt hat und die Mauscheleien, die früher auf dem Flur stattfanden und die dazu geführt haben, dass Richter oder auch die sonstigen Beteiligten in einer Unbefangenheit miteinander, ich muss jetzt mal das Wort sagen, gequatscht haben, über das Ergebnis des Verfahrens, dass das aufgehört hat. Und das dient den guten Sitten im Rahmen des Strafverfahrens.

 

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Geräusche von jemandem, der im Internet surft:

Sprecher:  Sie haben einen Prozess vor dem Amtsgericht, Schöffengericht und Landgericht. Dann werden Sie erleben, dass ich schon vor der Hauptverhandlung einen Deal mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht abstimmen kann. Dieser Deal dient einem optimalen Ergebnis für ihr Verfahren…Ich werde auf jeden Fall einen guten Deal für Sie aushandeln.

 

Autorin: Diese  Anzeige  einer Essener Anwaltskanzlei steht so im Internet. Unsere Bitte nach näherer Erläuterung lehnten die Anwälte, die so für ihre Dienste werben, ab. Wie sie zu interpretieren ist, bleibt den potentiellen Klienten überlassen.

Entspricht diese offensive Vorgehensweise dem neuen Klima, in dem zukünftig Prozesse geführt werden?  Wonach die eine Hand die andere wäscht, während die Wahrheit nicht mehr von Belang ist?  Armin Golzem bildet Strafverteidiger im Umgang mit der Dealpraxis aus:

 

O-Ton RaGolzem 40:58 Eine Website eines Anwalts, die für ihn Reklame macht, in dem dort behauptet wird, er sei besonders gut im Ausdealen von Urteilen mit dem Strafrichter… Ich halte das für standeswidrig und berufsrechtlich unzulässig. 41.22 Weil der Deal ist nur in ganz wenigen Fällen zum Vorteil des Angeklagten. Nämlich immer dann, wenn er eine schwere Straftat in der Tat begangen hat. Aber, wenn er das nicht hat, dann ist der Deal absolut kontraindiziert. Und die Tatsache, dass die Anwälte flott und schnell und unter Hinweis darauf, dass sie den Richter und den Staatsanwalt persönlich gut kennen, ein gutes Ergebnis herausholen, der ist in höchstem Maße verdächtig.

 

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Autorin: Wem also nutzt der Deal vor Gericht, wem schadet er?

O-Ton RaGolzem 36:14 Die Dealpraxis ist natürlich ein Einfallstor dafür, dass das geschehen kann, was man früher die Klassenjustiz nannte. Also, d.h. die Großen lässt man laufen, die Kleinen werden hart bestraft. Dazu muss man sagen, dass das auch heute noch funktioniert. Und zwar einfach deshalb, weil es in den Großverfahren gut bezahlte Starverteidiger gibt, die das Gericht enorm unter Druck setzen können. Und in den kleinen Verfahren sind oft überbeschäftigte Pflichtverteidiger tätig, die im wesentlichen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht im Hinblick auf den Nutzen für den Angeklagten ihre Arbeit betreiben. Insofern ist das alte Dilemma nicht behoben.

 

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O-Ton-Richter Baack: 11/0:00 Mein Name ist Jörg Baack. Ich bin Richter am Amtsgericht Köln. 22/0:07  Ich bin eigentlich sehr glücklich darüber, dass die Strafprozessordnung uns die Möglichkeit gibt, mit den Angeklagten auch über das mögliche Ergebnis des Strafverfahrens zu sprechen. Auf eins muss man allerdings immer achten: dass am Ende ein angenemessenes  Urteil herauskommt.

 

O-Ton Richter Lindemann19:18 Alles das spart Geld und man kommt, wenn man es vernünftig anwendet, sicherlich auch dann zu gerechten Ergebnissen.

 

 

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O-Ton Golzem 16:29 Dieser erpresserische Geständniszwang von Seiten des Gerichts, das sich einfach begnügt mit den polizeilichen Ermittlungen und den dort durchgeführten Vernehmungen, hat natürlich auch Leute, die unschuldig waren, dazu gebracht, Geständnisse abzulegen, in ihrer Angst, so hart bestraft zu werden, dass es immer noch besser ist, für vier Jahre ins Gefängnis zu gehen, als sich bei Bestreiten der Tat, eine sieben-jährige. Freiheitsstrafe einzuhandeln. Ich bin überzeugt davon, dass es häufig, vor allen in den 80-iger und 90-iger Jahren bis in dieses Jahrtausend hinein, immer wieder dazu gekommen ist, dass auch Unschuldige verurteilt wurden.

 

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O-Ton Haller: 222/5:01   Da wird einfach schlampig gearbeitet. Und zwar in beide Richtungen. Das kann sowohl den Angeklagten treffen, dass er zu Unrecht verurteilt wird. Kann aber insbesondere natürlich auch die Tatopfer betreffen, die sich nachher nicht angemessen behandelt fühlen.

 

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O-Ton RaGolzem 19:25   Kostenprobleme in der Justiz gibt es. Es gibt Personalprobleme, es gibt Überlastungsprobleme.19:41 Dies alles führt dazu, dass der Deal eine unausrottbare Erscheinung im Deutschen Strafprozess ist und bleibt.

 

Musik ENDE