Noch hochaktuell, obwohl schon 2013 auf WDR5 gesendet, „Neugier genügt“
Arbeitskraft auf Abruf / Menschen in Leiharbeit
Autorin: Ingrid Müller-Münch
Redaktion Gesa Rünker
Sie schuften auf Baustellen, in Putzkolonnen oder Supermärkten. Es gibt inzwischen kaum einen Bereich, in dem sie nicht eingesetzt werden: Leiharbeiter stehen auf Abruf bereit und gelten in den Betrieben als ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse. Ihr Lohn liegt an der untersten Sprosse der Einkommensskala. Selbst, wenn sie Vollzeit arbeiten, verdienen sie häufig so schlecht, dass viele von ihnen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Durch spezielle Werkverträge versuchen Arbeitgeber zusätzlich noch, den auch für Leiharbeiter geltenden Mindestlohn geschickt zu unterlaufen. Hinzu kommt: Ihr Job ist ungesichert. Gut möglich, dass sie schon morgen arbeitslos werden.
In „Neugier genügt“ berichten Gewerkschafter und Leiharbeiter von ihren Erfahrungen mit befristeten, unterbezahlten Arbeitsplätzen.
Musikeinspielen, unterlegen
O-Ton Dennis LKrefeld 2 1:17:49 Ich hatte mir das nie vorgestellt, bei ner Leiharbeitsfirma zu arbeiten. Weil es eigentlich ne Art Ausbeuterei ist. Im Gegensatz zu dem, was ich verdiene, verdienen andere, die die gleiche Tätigkeit hier im Werk machen, weitaus mehr. Aber haben nicht so die Verpflichtungen, sich zeigen zu müssen. Weil die ja den Vertrag fest haben. Ich habe immer das Gefühl, ich müsste mich aufopfern gegenüber dem Arbeitgeber hier, um nicht nach Hause geschickt zu werden.
Musik hochziehen
O-Ton Rumäne-Paul LWiesePaul 42:31 Zwölf Stunde bist du in Fabrik. Musst du schlafen acht, sind 20. Und bleibt vier Stunde für Leben. Und das ist sehr wenig. Und in diese vier Stunde, musst du essen, musst du Kaffee trinken, musst du rauchen und umziehen, musst du duschen und ich glaube bleibt gar nix.
Musik hochziehen
O-Ton Claudia LKrefeld 8:06 Als Leiharbeiter ist es natürlich schon ein Gefühl von, ums drastisch auszudrücken, Handlanger, der so Lücken büßt oder so lange denn etwas benötigt wird, sich dort sehr engagieren darf.
Musik hochziehen
O-Ton Mann LKrefeld2 1.03.20 Das schwierige ist natürlich immer nur das Arbeiten auf Zeit. Das heißt, das Ende ist absehbar und die Zukunft ungewiss. Natürlich hat mich das belastet.
Musik hochziehen
O-Ton-Alleinerziehende LKrefeld S2 45:03 Man fühlt sich im Grunde, ja, minderwertig.
Musik hochziehen und unter nächstem O-Ton ausblenden
O-Ton Betriebsrat LK Krefeld2 1:07:50 Ich bin Betriebsratsvorsitzender in einem deutschen Dax-notierten Unternehmen. 1:14:30 Schaut man in unsere Gesellschaft, dann muss man erschreckenderweise wahrnehmen, dass wir über eine Million Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen haben. 1:08:34 In vielen Einzelgesprächen weiß ich, dass ihre persönliche Lebenssituation absolut unakzeptabel ist. 1:11:10 Sie leben in einer ständigen Unsicherheit, ob möglicherweise ihre jetzige Beschäftigung beim Entleiher auch fortgeführt wird oder ob sie verlängert wird.
O-Ton Sabine1 LKrefeld 23:31 Mein Name ist Sabine. Ich bin 45 J. alt, habe zwei Kinder. Lebe getrennt, bin Betriebswirtin und bin seit Dezember letzten Jahres hier. Und bin eingestellt als Teamassistentin, kann man so sagen. Mädchen für alles. 24:42 Als Leiharbeiterin bin ich beschäftigt. 25:08 In der Stellenbeschreibung hieß es: auch mit Übernahmeoption. Das ist ja dann immer so dieses Lockangebot. Wo man dann ja auch sehr gerne drauf eingeht.
O-Ton Olbrecht 22:59 Sie werden durch diesen psychischen Stress, den sie haben, einfach krank. Das macht einen krank. Erstens die Ungewissheit, morgen sind sie weg oder nicht. Dann, wenn man an später denkt, mit dem wenigen Geld, dass man jetzt verdient, zahlt man Rente. 24:09 Dann bekommt ein Sozialhilfeempfänger mehr Sozialhilfe als ich an Rente, obwohl ich 50 Jahre gearbeitet habe. Und das beschäftigt einen, was passiert, wenn man alt wird, wenn man krank wird. Kann man denn sein kleines Haus, was man sich erspart hat, noch leisten? Man weiß es nicht. 9:24 Und irgendwann haben sie die Nerven kaputt.
O-Ton Claudia LKrefeld 12:45 Diese Unsicherheit, das ist der größte Faktor, der letztlich immer wieder unzufriedenstellend ist. Weil man von vorherein ja weiß, angelegt ist es auf die und die Zeit. Und dann ist aber noch nichtmals gewiss, ob die Zeit eingehalten wird. Also, es kann durchaus sein, dass mit ganz kurzen Kündigungsfristen von heute auf morgen gesagt wird, es endet. Und man erhält dann vorsichthalber eine Kündigung.
Musik
O-Ton-Rumäne-Paul LWiesePaul 20:32 Ich bin Paul und ich komme aus Rumänia. 21:10 Ich hab gearbeitet in ein Schlachthof. 21:24 Ich hab gekommen erste mal in Deutschland in 1. August 2012. Und ich hab schon bezahlt 800 Euro. 21:43 Für Arbeitsgenehmigung und für Anmeldung und für die Arbeitsplatz auch. 21:55 Ich war in Spanien. 7 Jahre. Und ich bin schon weg von Rumänia vor ungefähr 10 Jahre. Ich hab 37 Jahre.
O-Ton-Gewerkschafter LWiesePaul 38.00: Sehr häufig ist es so, dass die Menschen, die aus Rumänien oder beispielsweise aus Polen kommen, vermittelt werden über ausländische Unternehmen. Deren Zweck es eigentlich nur ist, Menschen in ihrem Heimatland anzusprechen, um sie hierhin nach Deutschland zu schicken, für diese Arbeit. Und dafür wird sehr häufig Geld genommen. Also beispielsweise für die Anbahnung von Arbeitsverhältnissen, für die Beschaffung der Arbeitserlaubnisse und für die Anmeldung oder für die Vermittlung von Wohnraum. Dafür werden Provisionen verlangt, von den Menschen und ohne diese Provisionen kommt man kaum an die Arbeit ran.
O-Ton Rumäne-Paul LWiesePaul 22:13 In Rumänia jetzt ist ein bisschen schlecht. Gibt eine sehr niedrig Lohn. Und gibt nicht so viel Arbeit. 22:30 Der Mindestlohn in Rumänia ist 700 Lei. Was in Euro ist, 135 Euro im Monat. Brutto. 22:49 Ich bin Automechaniker. Ich hab gemacht ein Ausbildung in Rumänia. 23:02 Wenn ich habe kommt hier, ich hab gekriegt die Arbeitserlaubnis nur für Schlachthof. 23:29 Ich war bei einer Leiharbeitsfirma und ich hab schon verdient, erste mal 7 Euro 98.
O-Ton Gewerkschafter LWiesePaul 0:15 Ich bin Armin Wiese, Ich bin Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten. In Bielefeld. 0:49 Ja, ich hab sehr viel mit Leiharbeitern zu tun. Weil das in unseren Branchen weit verbreitet ist. Zunächst mal Gastgewerbe, natürlich, da gibt‘s sehr viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Und in der Fleischwarenbranche, ham wir sehr viele mit Leiharbeiter und mit Werkverträgen zu tun. 2:15 Wir ham die Situation, seit es den Mindestlohn in der Leiharbeit gibt, auch fast alle Unternehmen sich daran halten. 2:34 Der Mindestlohn ist im Moment 8 Euro19. Brutto.
O-Ton Rumäne-Paul LWiesePaul 23:57 Ja, ist eine sehr schwere Arbeit. Und wir musst arbeiten sehr viele Stunden.12 Stunden. pro Tag. 24:24 Ja wir haben gekriegt ein bisschen Geld für Überstunde und für Nachtzuschläge. Aber nur, wen ich hab gemacht ein bisschen Theater bei Arbeit. 24:52 Ich bin arbeitslos, jetzt. Ich bin angemeldet in einer Gewerkschaft und für das, wir haben gekriegt Kündigung. 25:35 Wenn die Leute kommt in die Gewerkschaft, z.B. morgen, kriegen die Kündigung. Das war bei mir so. 26:22 Ich hab mein Vater, meine Schwester, mein Kinder. Sind noch in Rumänia. Ja, ich muss Geld schicken in Rumänia. Jeden Monat. Ungefähr 300 Euro. Aber jetzt ich kann nix schicken mehr Geld. 34:51 Unsere Arbeitsgenehmigung ist gültig nur bei eine Firma. Und wir kann nicht arbeiten in andere Firma nur in diese. Ich weiß nicht, was passiert jetzt mit unsere Papiere. Ist ein bisschen Stress jetzt. Aber vielleicht wir kann kriegen die Arbeitsgenehmigung unbefristet. Und vielleicht wir kann finden andere Arbeitsplatz.
O-Ton Gewerkschafter LWiese Paul 17:50 Das ist sehr häufig so, dass man nach dem Auslaufen eines befristeten Vertrages nichts mehr hat. Vor allen Dingen dann, wenn man sich mal gewehrt hat. Dann sind die Chancen weiterbeschäftigt zu werden nur gering. 14:48 Es sind Leute, die ausgenutzt werden und zu miesen Arbeitsbedingungen hier beschäftigt werden und einfach hier mit falschen Versprechungen angeworben worden sind.
O-Ton Rumäne-Paul LWiesePaul 34:10 Ja die Leute muss die Arbeitskleidung bezahlen. Die Schuhe bezahlen. Und muss bezahlen die 20 Euro pro Monat für die Arbeitskleidung waschen. 41:11 Die Arbeitsgeber klauen Stunde, klauen Nachtzuschläge, klauen Überstunde. Und normalerweise is nicht richtig gemacht die Lohnabrechnung. Die Leute wenn macht ein bisschen Theater, sind sofort rausgeschmissen.
O-Ton Gewerkschafter LWiesePaul 13:01 Es wird sehr häufig in sehr engen Wohnverhältnissen gelebt. Die Wohnungen sind überbelegt. Weil sie auch sehr teuer sind und sich kaum einer ne eigene Wohnung leisten kann. Und außerdem, wer kriegt so ne Wohnung? Wer kann auf dem normalen Wohnungsmarkt als Mensch ohne sicheres Einkommen ne Wohnung mieten? Das funktioniert nicht. Die meisten Menschen sind darauf angewiesen, die Wohnunterkünfte in Anspruch zu nehmen, die die Firmen zur Verfügung stellen.
O-Ton Rumäne-Paul 29:02 Wir leben in Rheda-Wiedenbrück. In ein Haus. Und wir muss bezahlen Miete für ein Zimmer. Ich und mein Frau. Wir bezahlen 500 Euro für 15 Quadratmeter. Mehr nicht. Und gibt nur eine Küche, eine Badezimmer. Und in die Haus wohnt ungefähr 15 Personen. Mehr.
Musik
O-Ton Alleinerziehende LKrefeld S2 40:53 Ich bin Leiharbeiterin seit Januar 2012. Ich bin kaufmännische Angestellte, Einkäuferin. 41:56 Ich bin 13 Jahre lang beschäftigt gewesen in einem großen Konzern. Und bin dann schwanger geworden. Hab dann Elternzeit genommen und ja, damit war im Grunde meine Karriere mehr oder weniger beendet. Also, ich bin dann kurz nach der Elternzeit entlassen worden. Ja, und auf der Suche nach ner Arbeitsstelle hab ich jetzt eben diese Stelle hier bekommen, über ein Leihunternehmen. 55:27 Das Verhältnis zu den Kollegen ist so ein bisschen geprägt von Misstrauen. Jeder macht mal Fehler, keine Frage, aber ich habe immer so das Gefühl, dass ich keine machen darf. Weil das eben negativ auf meine Situation zurückfallen könnte, wenn‘s ums Thema Übernahme geht. Ich weiß, die Kollegen werden befragt über meine Leistungen. Und von daher ist es nicht wirklich ein kollegiales Verhalten, sondern ich fühl mich halt kontrolliert und beobachtet.
O-Ton Sabine LKrefeld 31:32 Wenn ich jeden Tag da hin gehe, dann denk ich, gewöhn dich gar nicht erst an die netten Kollegen oder an das nette Umfeld und an das schöne Büro, was du hast. Stell auch keine persönlichen Gegenstände hin, wie Bilder, weil, es ist nicht dein Büro. Du wirst bald wieder weg sein. Man fühlt sich weder zu Hause noch angekommen. Man wird nicht behandelt jetzt wie ein Mensch zweiter Klasse. Aber man selber fühlt sich so. Man fühlt sich, dass man immer so ein bisschen, wie auf gepackten Koffern sitzt und genau weiß, bald biste hier weg. Also, auch keine privaten Freundschaften aufbauen. Oder näheren Kontakt. Das bringt nichts.
O-Ton Alleinerziehende LKrefeld S2 48:28 Also, ich fühl mich oft – ja – minderwertig und eben wie ein Mensch zweiter Klasse . Auch im Arbeitsleben bekommt man halt das auch so vermittelt. Man ist ausgegliedert bei Abteilungsbesprechungen. Man kann bei Abteilungsausflügen nicht teilnehmen. Weil man ist immer so – ja – nix Halbes und nichts Ganzes. Also, man ist nicht wirklich Teil des Unternehmens. 54:13 Ich merke halt, dass ich als Leiharbeiterin, keine Ansprüche stellen darf. Also, das fängt bei dem Bürostuhl an, ganz zu schweige dann von nem höhenverstellbaren Tisch. Den ich gut brauchen könnte, auf Grund meiner gesundheitlichen Situation. Und ja, wie gesagt, dass ich auch überhaupt nicht das Gefühl habe, dass ich z.B. über ne Teilzeitbeschäftigung sprechen kann. Ich hab das Gefühl, ich muss das alles so nehmen und kann froh sein, dass ich eben da überhaupt diese Stelle habe. Und das bestärkt einfach auch noch mal dieses Gefühl, eben, nur Mensch zweiter Klasse zu sein.
Musik
O-Ton-Jens LKrefeld 2 1:23:45 Ich bin der Jens und bin hier Vertrauenskörperleiter im Unternehmen. Wir haben hier viele Leiharbeiter die tätig sind, und haben auch Leiharbeiter dabei, die wir GottseiDank fest einstellen konnten. Die haben nur den Arbeitsanzug gewechselt und haben auf einmal 900 Euro mehr im Monat brutto verdient. Und das sind Sachen, die sind der absolute Wahnsinn.
O-Ton Sabine1 LKrefeld Sabine1 32:20 Wenn ich jetzt überlege, dass ich jeden Tag mit einer anderen Kollegin telefoniere, die macht genau den gleichen Job. Verdient fast das Doppelte und ist festangestellt. Dann muss ich sagen, ja natürlich selbstverständlich kommt dann auch Frust auf oder man fragt sich, was hat die, was ich nicht habe.
O-Ton-Olbrecht Ich heiße Jens, bin in Leipzig geboren, werde dieses Jahr 46, Handwerksmeister, Metallbaumeister. 1:18 Ich hatte eine Arbeit bei einer Regenschirmfabrik in Solingen. Da hab ich als Schlosser gearbeitet. Und 94 ging die Firma insolvent. Ich war der letzte, der gekommen ist, war der erste der geht. 5:07 Jetzt bin ich bei der Schweißerei. 6:50. Das ist ne Leiharbeitsfirma ja. Ich komme im Monat so auf 200, 230 Stunden. Da hab ich dann netto 1.800 raus. 11:11 Aber wenn sie überlegen, ich bin 30 Jahre im Beruf, habe 12,50 und der Lehrling, frisch, bei Großunternehmen hat 16 Euro. Und das ist das Ungerechte.
O-Ton Claudia LKrefeld 15:52 Als Grundgehalt liege ich bei ca. 1100, 1200, netto. Da ich alleine bin, kann ich von diesem Betrag natürlich leben. Aber gut, wirklich gut, ist was anderes.
O-Ton Maik 0:18 Ich bin Maik, ich bin 42 Jahre. Arbeite über einen regionalen Arbeitgeber. Ja, das ist eine Leiharbeitsfirma. 1:05 Gebürtig komme ich aus Thüringen und habe bei der Eisenbahn gelernt. Bei der Deutschen Reichsbahn. Und da dann der Umbruch kam in der Ex-DDR, wurd ich dann eben arbeitslos. Und danach hab ich mich eben entschieden, in die alten Bundesländer zu geben, nach Bielefeld. 4:55 Zur Zeit arbeite ich jetzt in einem Krankenhaus als Küchenhilfe zu 9 Euro 50 brutto, halbtags. Aber man muss ja leider jede Arbeit annehmen. 5:34 Jetzt bekomm ich raus 1200 Euro. Davon muss ich aber mein Fahrticket noch bezahlen, für die Bahn. Dass ich zu meinem Arbeitsplatz komme. Das sind auch 100 Euro.
O-Ton Sabine1 LKrefeld 30:23 Also meine Kinder z.B. sind 14 und 11. Es ist selbstverständlich, dass ich denen öfters auch sagen muss, nein, ich kann nicht, leider nicht, wir können auch dieses Jahr nicht in den Süden fliegen. Weil ich dazu kein Geld habe und ich wüsste auch nicht, wo wir´s her nehmen sollen. Oder dass ich ganz ehrlich auch sage, dann geht mal zu eurer Oma oder Opa und fragt die mal. Vielleicht finanzieren die euch da was, tun euch was dabei. Und ansonsten sag ich meiner 14-jährigen Tochter, sie könnte dann ja mal jobben gehen oder Flyer verteilen, Zeitungen, also, dass die im Endeffekt auch schon ziemlich früh an das reale harte Leben gewöhnt wird.
Musik
O-Ton Maik 6:46 Meine Frau hat ein Arbeitsplatz über eine Putzfirma. Wo sie zwei Stunden arbeitet. Danach hat sie eine zweistündige Pause dazwischen. Dann geht sie wieder zwei Stunden. Aber zurückfahren, das geht nicht, weil ja der Bus, dauert ja der Weg schon mal ne Std. hin, ne Std. wieder zurück. Also bringt das nix. Deswegen is se dort gefesselt. Kriegt aber die zwei Stunden nicht bezahlt. Am Monatsende kommt 350 Euro raus.
O-Ton Olbrecht 15:48 Wir erfahren unsere Arbeitszeit für den nächsten Tag etwa 12 bis 18 Stunden im voraus. 16:20 Gestern hatte ich von 12 Uhr bis 20.30 Schicht. Davor die Woche Montag hatte ich Frühschicht, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag Mittagschicht. Aber immer jeweils nicht gewusst. Und am Freitag hatte ich dann wieder Frühschicht. Also wieder einen kurzen Wechsel. Dann Montag Mittagschicht, dann wieder Dienstag Frühschicht. Und so geht das hin und her. Es kann auch schonmal sein, dass sie zwei Schichten am Tag machen, also ne Früh- und ne Nachtschicht. Machen wir ne Frühschicht, gehen 3 oder vier Stunden nach Hause und gehen dann wieder auf Nachtschicht. Das ist laut Arbeitszeitgesetz nicht erlaubt. Aber das interessiert keinen. Entweder du machst den Job. und wenn du den nicht machst, macht ihn ein anderer. 30:22 Sie müssen acht Stunden ihre Leistungen bringen, dann gehen sie nachhause, schlafen 4 / 5 Stunden, stehen früh wieder auf, gehen dann wieder acht Stunden arbeiten. Sie schlafen schon im Stehen ein.
O-Ton Maik 13:53 In unserer Beziehung gabs immer Streit um Geld. Weil ich hab ja auch mal gut verdient. Und die Frau hat immer nur gleichbleibend verdient. Und da wollte sie immer was abhaben. Und deswegen ging das jetzt auch in die Brüche. Das war der ausschlaggebende Punkt.
O-Ton-Alleinerziehende LKrefeld S2 46:33 Ja, ich bin oft traurig. Ich will das natürlich meinem Sohn gegenüber nicht zeigen. Dadurch, dass ich eben viel arbeite, mein Sohn mich irgendwie beansprucht, hab ich auch wenig Möglichkeit, mich mit Freunden zu treffen oder ja, mich da halt einfach auszutauschen. Gezwungenermaßen fresse ich da, glaub ich, ganz schön viel in mich hinein. Ja und das gibt ein ungutes Gefühl.
O-Ton Maik 11:53 Und jetzt wollte meine Frau eben auch noch ein Kind haben. Und ich hab gesagt, wie soll das gehen? Mit so nem Pippilohn, was ich jetzt habe.
Musik
O-Ton-.Gewerkschafter WiesePaul 3:55 Am übelsten geht es vor allen Dingen den Menschen, die in sogenannten Werkverträgen arbeiten. Weil da gelten die tariflichen Regeln nicht. Da wird frei ausgehandelt. Da wird auch deutlich dieser Mindestlohn unterschritten und ja, da fehlen einfach die tariflichen Standards und das nutzen auch die Arbeitgeber weidlich aus. 4:17 Ein Werkvertrag ist so ein Vertrag zwischen einem Unternehmen und einem anderen Unternehmen, wo eine bestimmte Leistung versprochen wird. Am besten kann mans erklären an handwerklichen Leistungen. Ich verlege ihnen 100qm Fliesen und verlange dafür einen bestimmten Preis. Das ist das Gewerk. 4:40 Wie ich das tue, mit welchen Menschen ich das tue, mit wieviel Menschen ich das tue, das ist meine Sache. Und was ich denen bezahle ist auch meine Sache.
O-Ton Jens LKrefeld 2 1:25:30 Wir haben ganze Arbeitsgruppen hier, wo nur einer deutsch spricht, die kommen irgendwo aus dem osteuropäischen Ausland unter Arbeitsbedingungen, ich glaub den Sklaven in Ägypten ist es besser gegangen. 1:26:48 Die dürfen drei Monate arbeiten. Ich sag mal 5,50 ist da schon ne Menge Geld. 1:28:27 Das ist ne absolute Schweinerei, den Stammarbeitsplätzen und den Leiharbeitern gegenüber. Weil da wird ne Truppe geschickt, die noch wesentlich erbärmlicher bezahlt wird, als die Leiharbeiter.
O-Ton Gewerkschafter Wiese/Paul 5:07 Wir haben auch schon von vielen Fällen gehört, wo nur 3 oder 4 Euro in der Stunde bezahlt worden sind. 7:22 Ich hab gerade aktuell so einen Fall auf dem Tisch, wo´s um ne deutsche Verpackungsfirma geht, die für Verlage Beilagen in Zeitungen verpackt. Oder Frankier- und Adressaufgaben übernimmt. Da werden Stundenlöhne deutlich unter 5 Euro bezahlt. 6:18 Ja wir haben, es ist schon ein bisschen her, mal in einem Verfahren erlebt, dass eine polnische Beschäftigte, die 7 Euro 50 verlangt hat, die auch durchsetzen konnte, weil sie nachweisen konnte, dass bei ihrem Lohn, der hat etwa 3 Euro 40 betragen, das um sittenwidrigen Lohn sich handelt.
Ausklangmusik unterlegt und zwischen O-Tönen hochgezogen, am Schluss auslaufen lassen
O-Ton Alleinerziehende LKrefeld S2 57:09 Der Unterschied zu früher als Festangestellte, ist dieser …also damals war´s ungezwungener. Es war irgendwie leichter und stressfreier. Mich stresst die Situation, so unter Beobachtung zu stehen. Diese Ungewissheit. Und eben keine Fehler machen zu können. Und zu dürfen. Und also dieses unbekümmert sein, das fehlt mir irgendwie.
Musik
O-Ton Jens LKrefeld 2 1:24:40 Mir tun die Leute auch ein bisschen leid. Die können ihr Leben nicht planen, können nicht heiraten, keine Kinder in die Welt setzen, neues Auto können sie auch nicht bezahlen, weil sie nicht wissen, ob sie morgen noch nen Job haben. Ist schon traurig. 1:28:55 Es kann nicht sein, dass Leute 150, 160, 170 Stunden im Monat arbeiten und davon noch nicht mal die Miete bezahlen können, geschweige denn ne Famlie zu ernähren. Dat geht so nicht mehr.
Musik
O-Ton Claudia LKrefeld 18:25 Ich versuche damit anders umzugehen, aber es klappt leider nicht so richtig. Und ich versuche immer wieder darüber hinweg zu gehen und positiv zu denken, ja, meinen Optimismus beizubehalten, aber manchmal ist es schwer.
Musik
O-Ton Olbrecht 32:05 Was könnte man machen? Was könnte man machen?
Musik
O-Ton Alleinerziehende LKrefeld S2 47:31 Ich hab auch Angst vor der Zukunft. Ja, eben weil das so schlecht planbar ist. Weil die Zeit halt befristet ist. Und ich im Grunde nie weiß, was passiert danach. Es ist alles offen. Die Zukunft ist völlig offen. Ich weiß nicht was wird. E N D E