Im Dunkeln des Internets lässt es sich gut betrügen – mein Beitrag vom 15.11.2022 auf WDR5, Scala

Zwei Bestseller-Autoren haben im Cyberspace recherchiert – und ließen mich schaudernd zurück.

Folgende 2 Krimis stelle ich vor:

– Harlan Coben: „Was im Dunkeln liegt“, Goldmann, 16 Euro, Übersetzt aus dem Amerikanischen von Gunnar Kwisinski, 24.8.2022 *

– Peter James: „Wir zerstören Dich“. Der 15. Fall für Roy Grace, Scherz-Verlag, 26.10.2022, Übersetzt aus dem Englischen von Irmengard Gabler,17 Euro,

 

Es wurde aber auch Zeit. Immer wieder und immer häufiger spielen Krimis derzeit im Cyberspace, nehmen sich der dort möglichen Betrügereien an, beschäftigen sich mit Hatern, Hackern und den Hirngespinsten einsamer Menschen, die für einen virtuellen Traum auch schonmal ihr Konto plündern.

 

Text:

Sprecher: Im Alter von etwa vierzig bis zweiundvierzig Jahren – er wusste nicht genau, wie alt er war – fand Wilde endlich seinen Vater.

 

Autorin: Bis dahin kannte er seine Eltern nicht.  Als kleines Kind war er in den Wäldern der Appalachen ausgesetzt worden – von wem auch immer.  Er überlebte, in dem er in Ferienhäuser einbrach, sich von gehorteten Konserven ernährte. Irgendwann wurde er entdeckt, kam in eine Pflegefamilie, sorgte allerdings als das wilde Waldkind amerikaweit für Medieninteresse.

 

Sprecher: „Ausgesetzt und verwildert“, lautete eine Schlagzeile, „Ein moderner Mogli“ schrie eine andere.

 

Autorin: Nun ist er erwachsen, Privatdetektiv und zum zweiten Mal Protagonist des Bestseller-Autors Harlan Coben, diesmal in seinem Thriller „Was im Dunkeln liegt“.

Die Katastrophe beginnt zunächst harmlos. Aus einer Laune heraus hat Wilde seine DNA in eine Website eingegeben, die auf die Suche nach Familienangehörigen spezialisiert ist. Unerwartet wird ein Treffer gelandet. Alter, Geschlecht und die hohe Übereinstimmung zeigen, dass ein registrierter Mann offenbar sein Vater zu sein scheint. Wilde sucht den Mann auf, der reagiert erstaunlich verwirrt, Wilde insistiert nicht, verkrümelt sich wieder, zieht sich in seine hyper-hightechnisch ausgestattete eremitenmäßige Waldbehausung zurück. Ohne zu ahnen, was er durch seine schlichte Suche ausgelöst hat.

Harlan Coben scheut sich nicht, seinen Wirkungskreis als Autor aufs Außerirdische auszuweiten und sich der Cloud, den Influencern und Hackern, ebenso wie geheimen Internet-Plattformen zu widmen. So der Online-Gruppe Boomerang, spezialisiert darauf, Trolle und Mobber ausfindig zu machen und die Schlimmsten, die Bösartigsten von ihnen zu bestrafen. Chris ist einer dieser Hacker, der den Hatern und Betrügern das Handwerk legen will. Nicht immer auf legale Weise.

 

Sprecher: „Sie haben Selbstjustiz geübt“, sagte Wilde. Chris wiegte den Kopf. „Ich sehe es eher so, dass wir versucht haben, in einem bisher gesetzlosen Bereich die Ordnung einzuführen. Unser Rechtssystem ist noch nicht im Internet angekommen. Noch ist die Online-Welt der Wilde Westen der Gegenwart. Es gibt keine echten Regeln oder Gesetze, nur Chaos und Verzweiflung. Deshalb haben wir als eine Gruppe seriöser Menschen mit ethischen Werten versucht, ein Mindestmaß an Recht und Ordnung zu etablieren. Unsere Hoffnung war, dass neue Gesetze und Normen uns irgendwann einholen und dann überflüssig machen würden“

 

Autorin: Was das alles mit ihm zu tun hat, muss Wilde auf eine schmerzliche, ja lebensbedrohliche Art erfahren. Eine Zeitlang gerät er gar in Verdacht, die sich anhäufenden Morde verübt zu haben. Mühsam muss er lernen, dass das Internet eine Welt für sich ist, dass es auch in Reality-Shows so gar nicht um die Wirklichkeit geht, sondern sich dort Fakes und Glamour mit dem tatsächlichen Leben vermischen. Und letztlich nur das zählt, was die Fans in miesen Social-Media-Accounts liken und followen.

Eine mitreißende Story, mag sie nun Fake, Fiktion oder Realität sein. Vom Meister der Ironie, der Wortspiele, der fetzigen Antworten und launigen Dialoge.

 

Zwischenton

 

Sprecher: „Ich warte auf Dich, mein Liebling“.

Autorin: Ungeduldig schickt der pensionierte Armeesoldat Jonny Fordwater eine SMS an seine Liebste, an Ingrid Ostermann, deren Flugzeug aus München schon vor 50 Minuten in London Gatwick gelandet ist. Bislang keine Spur von ihr.

Sprecher: Sein ganzer Körper tanzte vor freudiger Erregung. Sein Magen war völlig verknotet. Er fühlte sich wie ein Teenager vor seinem ersten Date, nur dass er auf die Sechzig zuging und wusste, dass es lächerlich war, sich so zu fühlen, aber er konnte nicht anders. Und hey, er hatte so lange auf diesen Tag gewartet – fast ein Jahr- und jetzt mochte er kaum glauben, dass es endlich so weit war – dass sie endlich hier war.

 

Autorin: Zum ersten Mal soll er sie sehen, die Frau, mit der er seit Monaten im Internet über eine Dating-Plattform chattet und die er – daran glaubt er fest – liebt über alles. Ebenso wie sie ihn.

Er ist nicht der einzige, der an diesem Tag vergeblich auf eine Frau wartet. In Florida harrt ein ehemaliger Polizist in einer Bar auf seine Angebetete. Auch sie kennt er nur aus dem Internet. Hat ihr – ebenso wie sein ihm bis dahin noch unbekannter Londoner Kumpel – viel Geld überwiesen. Im guten Glauben, ihr damit zu helfen. Sie an sich zu binden.

Als Fordwater, noch immer ungeduldig auf Ingrid wartend, eine Männerstimme hinter sich hört, die seinen Namen sagt, weiß er nicht, dass in diesem Moment seine Träume zunichte gemacht werden. Die beiden Detectives, die ihn ansprechen, bitten ihn aufs Revier der Flughafenpolizei.

 

Sprecher: „Bitte – bitte sagen Sie mir, dass es ihr gut geht. Sie hat doch keinen Unfall? Oder?“

„Ingrid Ostermann saß gar nicht im Flieger, Sir“, sagt einer der Polizisten. „Es tut mir wirklich sehr leid, Ihnen das sagen zu müssen, weil es bestimmt ein Schock für sie sein wird. Unseren Informationen zufolge ist die Dame, auf die Sie warten, Frau Ingrid Ostermann, nicht existent“.

 

Autorin: Jonny Fordwater ist ebenso wie der Polizist in Florida einer virtuellen Kunstfigur aufgesessen. Und das nicht zu knapp. Ganze 450.000 Euro hat er an seine Zukünftige überwiesen, die ihm den Lebensabend versüßen sollte. Er hat sein Haus verpfändet, seine Ersparnisse aufgelöst, alles, was ihm eine komfortable Rente sichern sollte, ist pfutsch.

Wie sich bald schon herausstellt, stecken hinter diesen Betrügereien professionelle, teils in Ghana, teils auf den Jersey-Inseln angesiedelte Cracks, die sich die Naivität von Menschen wie Fordwater zunutze machen. Und gut, sehr gut daran verdienen.

Wie eine solche Abzocke läuft, wie die Globalisierung Kriminellen Banden in die Hände spielt, wie alte einsame Männer hierauf reinfallen, dies hat Bestsellerautor Peter James in seinem neuesten Thriller „Wir zerstören Dich“ aufs Vortrefflichste in eine wirklich umwerfend spannende Krimistory verwoben.