Caroline Corcoran: „Die Vermisste“ auf WDR 5

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Caroline Corcoran: „Die Vermisste“, Heyne, 13.12.2023, 16 Euro, 476 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Sybille Uplegger

Schon der Einstieg lässt einen fassungslos zurück: Romilly hat soeben ihr Baby zur Welt gebracht. Eine Tochter. Im Krankenhaus kümmern sich alle liebevoll um Mutter und Kind. Und auch Marc, der Vater ist präsent und überglücklich. Doch wenige Stunden nach der Geburt ist Romilly verschwunden. Unauffindbar. Hat sich einfach aus dem Staub gemacht und das Baby samt Ehemann zurückgelassen. Zunächst reagiert die Umwelt ungläubig und verwirrt. Doch nach einer Weile müssen alle akzeptieren, dass die junge Mutter einfach nicht da ist. Marc, der Vater sich von nun an um die Kleine kümmern muss. Assistiert von Romillys Schwester und ihrer besten Freundin.

Ziemlich schnell hat Marc eine Erklärung parat, warum seine Frau unauffindbar ist: Sie leidet, darauf besteht er, an einer postnatalen Psychose. Gefährde sich dadurch selbst und muss deshalb schnellsten aufgefunden werden. Doch das ist nicht so leicht. Denn Romilly hat offenbar alles getan, um ihre Spuren zu verwischen.

Eine unglaubliche Geschichte, erzählt aus wechselnden Perspektiven: Mal aus Sicht des besorgten Ehemanns, mal aus der Romillys, mal kommt ihre beste Freundin zu Wort. Und so nach und nach fügt sich ein Puzzleteilchen zum nächsten, lässt die handelnden Personen in immer neuem Licht erscheinen und verwirrt, so gut es geht, durch eine Lektüre voller Unsicherheiten und nach und nach aufgedeckten Wahrheiten, die sich bald schon als Unwahrheiten entpuppen. Wobei zu guter Letzt unklar ist, welche Wahrheit die richtige ist, welche nur das Gespinst einer kranken Frau.

Je dramatischer die Situation wird, je bedrohlicher sich der eine oder andere Charakter darstellt: beim Lesen wankt man hin und her und weiß nicht, wer nun recht hat und wer phantasiert. Der Ehemann, der offenbar nicht nur liebevoll war. Oder seine verschwundene Frau, die von schrecklichen Phantasien geplagt wird. Oder sind das gar keine Hirngespinste?

Ein aufwühlender Krimi. Ein hochaktuelles Thema. Die schlangenlinienförmige Darstellung von etwas, das viel zu häufig vorkommt. Hinter verschlossenen Türen, im durchaus gutbürgerlichen Milieu. Geschrieben von einer Autorin, die mit ihrem ersten Krimi „Die Nachbarin“ schon international Aufsehen erregte. Und nun ein schillerndes Portrait eines Verbrechens mit leichter Hand präsentiert. Unbedingt lesenswert.