Ich denke daran – jeden Tag, WDR5, Neugier genügt, 18 Minuten, 27.1.2010
„Ich denke daran – jeden Tag“
Naziopfer als Nebenkläger und Zeugen in NS-Prozessen
In den letzten NS-Prozessen vor deutschen Gerichten leiden Naziopfer noch einmal das durch, was ihnen und ihrer Familie angetan wurde.
Ein Feature von Ingrid Müller-Münch
Eigentlich ist Tuin de Groot ein stattlicher, gutsituiert lebender Rentner. Doch in dem kleinen, nordholländischen Ort, in dem er und seine Frau am liebsten ihren Garten bestellen, suchen ihn in letzter Zeit vermehrt Alpträume heim. Anlass ist der in Aachen seit einigen Wochen geführte Prozess gegen den ehemalige SS-Mann Heinrich Boere. Der soll drei Männer ermordet haben, darunter Tuin de Groots Vater. Dass Boere nun doch noch vor Gericht sitzt, freut De Groot, auch wenn er dadurch erneut mit einer Vergangenheit konfrontiert wird, die ihn aufwühlt und ihm zu schaffen macht. So wie all den Zeugen und Nebenklägern in NS-Prozessen, die meist nur widerstrebend und unter großer Kraftanstrengung überhaupt nach Deutschland anreisten. Viele kamen dennoch, weil ihnen Freunde oder Verwandte kurz vor ihrem Tod die Botschaft mit auf den Weg gegeben hatten: „Du musst überleben, um der Nachwelt von den Verbrechen an uns zu erzählen“. So halfen sie denn durch ihre Aussagen, die Mörder im Düsseldorfer Majdanek-Prozess zu überführen, trugen dazu bei, dass die Angeklagten im Kölner Lischka-Verfahren ihre Strafe bekamen oder dass der „Wilhelm Tell“ von Auschwitz, Gottfried Weise, von einem Wuppertaler Schwurgericht verurteilt werden konnte. Der Preis, den sie dafür zahlten war hoch: Schreckliche Erinnerungen wurden erneut geweckt.
„Ich denke daran – jeden Tag!“
Naziopfer als Nebenkläger und Zeugen in NS-Prozessen, von Ingrid Müller-Münch, Sendetermin: 27.1.10
Sprecherin:
Am 9. Mai 1978 verließ Hela Rosenbaum mit ihrem Mann für eine Woche Israel und reiste nach Düsseldorf. Die erste Nacht im Hotel wurde zum Alptraum: ihrer Angst, dass schwere Stiefelschritte über den Hotelflur dröhnen, barsche Rufe und Klopfen sie aus dem Bett schrecken könnten, hielt die einfache Hoteltür nicht stand. Erst als sie sich mit Bettzeug und Kopfkissen noch hinter die Badezimmertür verkrochen und in die Wanne gelegt hatte, fühlte sie ihre Schreckensvisionen durch zwei verriegelte Türen ausgesperrt.
Autorin:
Die Angst von Zeugen in NS-Prozessen, die Angst von Nebenklägern vor der Konfrontation mit den Mördern ihrer Familie. So, wie es Hela Rosenbaum bei ihrer Anreise zum Düsseldorfer Majdanek-Prozess vor über 30 Jahren erging, erleben auch heute noch Überlebende von NS-Morden, wenn sie denn vor in einigen der wenigen, noch geführten Prozesse vor Gericht erscheinen. Das macht derzeit das in München laufende Verfahren gegen den mutmaßlichen ukrainischen KZ-Wächter John Demjanjuk deutlich, in dem rund 40 Überlebende des Konzentrationslagers Sobibor als Nebenkläger auftreten. Das wird aber auch in dem zur Zeit in Aachen laufenden Prozess gegen Heinrich Boere klar, einem 88jährigen ehemaligen Mitglied eines in Holland wütenden SS-Killerkommandos. Wegen dreifachen Mordes steht Boere, 65 Jahre nach seinen Taten, nun endlich vor einem deutschen Gericht. Und von den drei Nebenklägern, überlebende Angehörige der von Boere getöteten Holländer, reiste nur Tuin de Groot am ersten Verhandlungstag ins Aachener Landgericht. Gut vorbereitet auf den Mörder seines Vaters dadurch, dass er sich immer wieder einen vor 9 Jahren gedrehten Film anschaute, in dem Boere interviewt wurde:
O-Ton DeGroot
7.00 Als ich ihn zum ersten Mal im Filmmaterial sah, dachte ich, es ist ein schmutziger Schuft. Und das denke ich noch immer.
Autorin:
Das hat sich auch nicht geändert, nachdem De Groot Heinrich Boere im Aachener Gerichtssaal begenete.
O-Ton DeGroot:
4:35 Wenn er da saß, er saß zehn Meter von mir, und ich dachte, es ist ein bedauernswerter Mensch. Da ging nichts von aus. Er saß da wie eine Sack Kartoffeln.
Autorin:
Tuin de Groot ist der einzige der drei Nebenkläger in dem Aachener Verfahren, der nach Deutschland anreiste, um am Prozess wenigstens einen Tag lang teilzunehmen. Die beiden anderen sind nie erschienen, lassen sich durch einen Anwalt vertreten, sind verärgert über die deutsche Justiz, die den Boere-Prozess immer wieder hinauszögerte. Vielleicht wollen sie sich aber auch nicht, ebenso wenig wie Hela Rosenbaum seinerzeit vor 30 Jahren, mit der Sprache und dem Land der Mörder ihrer Väter konfrontieren. Auch wenn zum Beispiel Hela Rosenbaums Alpträume nichts mehr mit der deutschen Nachkriegs-Wirklichkeit zu tun hatten. Dafür aber viel mit einer Zeit, in der Deutsche sie aus dem Warschauer Ghetto vertrieben, ihre Familie töteten und sie selbst in Konzentrationslagern quälten.
O-Ton Ambach
10 Staatsanwalt Ambach. Ich war seinerzeit einer der beiden Anklagevertreter im Majdanek-Prozess in Düsseldorf. 1:14 Es war das erste große Verfahren, in dem auch Frauen, also Aufseherinnen angeklagt waren, die auch zum großen Teil den Inhalt des Verfahrens bestimmt haben. Weil sie sich als Aufseherinnen in einem Frauenfeld, wo auch Kinder untergebracht waren, ganz besonders scheußlicher Taten schuldig gemacht haben. 1:49 Wir haben etwas über 350 Zeugen vernommen. 2:10 Die Zeuginnen und Zeugen kamen aus Russland, Polen, Israel, USA, dann auch noch bis runter nach Südafrika und natürlich aus Deutschland.
2:34 Verschiedene Zeugen hatten aus dem Ausland zunächst einmal sich geweigert, nach Deutschland zu kommen. Verständlicherweise. Weil sie dann umgeben waren von der Sprache, die für sie damals Todesgefahr bedeutet hatte. Wegen dieser Zeugen sind wir dann ungefähr 70 mal in verschiedene Länder gereist, um sie dort zu vernehmen. Aber in sehr vielen Fällen haben diese Zeugen dann doch nach einiger Zeit gesagt, nachdem sie uns nun hier kennen gelernt hatten, sie seien doch bereit nach Deutschland zu kommen. Sodass dann einige doch noch nach Düsseldorf gekommen sind.
Autorin:
Täter, die ungehindert als Kleingärtner ein friedliches Rentnerdasein führen: Die deutsche Justiz hat viel dazu beigetragen, NS-Tätern ein solch ruhiges Leben zu ermöglichen. So auch im Fall von Heinrich Boere, dem derzeit wegen dreifachen Mordes in Aachen Angeklagten. Einst gehörte Boere zu den meistgesuchten Naziverbrechern des Simon Wiesenthal Zentrums. Dabei wäre er so leicht zu finden gewesen. Der holländische Filmemacher… spürte ihn im Jahr 2.000 in Eschweiler auf und stieß auf einen Mann, der sich gemütlich mit zwei kleinen Hunden als Rentner eingerichtet hatte und keinerlei Reue zeigte:
O-Ton aus dem Film
O-Ton DeGroot
58 Ich bin Tuin de Groot, ich bin 77 Jahre alt. Geboren in Vorschrooten. 1:42 44 im September war ich elf Jahre alt. Und mein Vater war allein zu Hause. Ich war der älteste von fünf Kindern. Und dann waren wir bei Onkel und Tantes untergebracht, weil meine Mutter im Krankenhaus war. Mein Vater hatte ein Fahrradgeschäft und er war allein zu Hause. Es war auf einem Sonntagmorgen. Halb Acht. Da wurde geklingelt. an Tür. Mein Vater war noch oben im Bett. Und er kam in sein Pyjama nach unten. Und fragte, was denn los war. 2:36 Und dann haben zwei Männer, in zivil gekleidet, die hatten gesagt, wir sind vom Police, und wir wollen ihren Ausweis sehen. Na. Mein Vater ging nach oben und holte seine Portefeuille, und darin war sein Ausweis. Und dann zeigte er sein Ausweis an die Leute. Und dann sagten sie, er ist in der Tat Teun de Groot, der Mann, den wir suchen. Und dann haben sie ihn totgeschossen.
Autorin:
Heinrich Boere, damals 22 Jahre alt, Sohn eines niederländischen Vaters und einer deutschen Mutter, war zur Tatzeit seit drei Jahren schon freiwilliges Mitglied der durch die deutschen Besatzer in Holland formierten Waffen-SS, speziell eingeteilt in das SS-Sonderkommando Feldmejer.
O-Ton Feldmeyer-Ansprache aus Film unterlegt
Autorin:
Mitglieder dieser SS-Einheit waren dazu abgestellt, nach Anschlägen des holländischen Widerstandes Vergeltungsmorde an Zivilisten durchzuführen. Genau dies tat Boere im Juli und im September 1944. Einer der Toten war Tuin de Groots Vater, ein Fahrradhändler aus Vorschooten bei Leiden.
O-Ton De Groot
4.20 In jedes Dort hat die Nazis, die hatte eine Liste gemacht von Leute, die bekannt waren in Dorf oder in die Stadt, und von denen man dacht, die sind Antinazi. Von jedem Angriff werden drei Menschen von uns, die auf eine Liste stünden, werden ermördert. So. Meine Vater stand auch auf der Liste. Jedermann in Vorschrooten wusste, dass mein Vater Antinazi war und jedermann kennte ihn, fast jedermann. Darum haben sie ihn ermördert, denken wir.
Autorin:
Der Mord an seinem Vater hat Tuin de Groots Familie auseinandergerissen:
O-Ton De Groot:
8: Dass meine Vater nicht mehr war, war für unsere Familie eine ganze Katastrophe. 7:45 Mein Vater war mein Favorit. …Es war eine schreckliche Verlust. Und es hat bis ich 18, 17 war, dass ich ein bißchen darüber hinkam. Meine Mutter war mental nicht gut genug, um das bei ihre Kinder aufzufangen. Kanns nicht. Und darum sind meine Brüder und ich sind nach andere Menschen gegangen. Wenn ich 16 war, dann hatte ich nach Harlem gegangen. Bei völlig Fremden. Man hatte in die Zeit von der Widerstandsverein eine Stiftung, und die hatte das organisiert. 1:55 Ich habe in jedem Fall viel Traurigkeit gehabt, dadrüber. Und es hat sehr lange gedauert, wo ich meine Stabilität zurück hatte.
Autorin.
Sein Kölner Anwalt, Detlef Hartmann, glaubt, dass ihn die Bilder von der Ermordung seines Vaters nie los ließen:
O-Ton Hartmann:
4:08 Ich hab eher den Eindruck, dass ihn das sein ganzes Leben lang begleitet hat. Er sagt auch immer, dass er immer erwartet hat, dass dieses Verfahren mal richtig betrieben wird. Und es ist ja mit einer schändlichen Begründung 1984 eingestellt worden. Von derStaatsanwaltschaft Dortmund.
Autorin:
Begründung Staatsanwaltschaft Dortmund Zitat. Was Boere dazu sagt, Zitat.
Autorin:Unter fragwürdigen justitiellen Scharmützeln haben Überlebende seit Kriegsende leiden müssen. Viele Verfahren wurden verschleppt, Urteile fielen unbefriedigend aus. Dennoch sind sie immer gekommen. Sie hatten einen Auftrag:
Zitat, sie sollten der Nachwelt sagen, was sie gesehen hatten.
O-Ton Ambach:
:44 Eine direkte Auftragserteilung hat eigentlich kein Zeuge uns vorgetragen. Es war nur so, das sie sich verpflichtet gefühlt haben, die Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen, die diesen Ermordeten geschehen sind.
Autorin:
Mit dieser Verpflichtung haben die Überlebenden ausgeharrt. Regelrecht darauf gewartet, dass die Mörder ihrer Familienmitglieder endlich vor Gericht gestellt werden.
O-Ton De Groot:
3:50 Ich bin froh, ich bin ganz froh. Endlich ist es soweit, dass wir ihn haben.
O-Ton Ambach:
13:0613:06 Es war ganz klar zu sehen, dass die Erlebnisse, die sie damals gehabt haben, zwangsläufig, sich ungeheuer tief in diese Menschen hineingefressen hatten. Und sie würden, nachdem was wir gehört haben, auch niemals so etwas vergessen. Wenn ich so etwas erlebt hätte, ich würde auch mich immer daran erinnern und würde wahrscheinlich auch darunter leiden müssen. 12:52 Sie haben das niemals verdrängen können.
Autorin:
Genau dies haben Zeugen vor Gericht immer wieder erzählt.
Sprecherin:
Was er gemacht hat, das bleibt in meiner Erinnerung für immer. Ich habe nachts geweint, nachdem der Krieg schon zu Ende war, lange danach“
Autorin
Ilona S. war Hauptbelastungszeugin im Prozess gegen den sogenannten „Wilhelm Tell“ von Auschwitz, Gottfried Weise, und extra aus Ungarn angereist. Zunächst hatte sie sich geweigert, nach Deutschland zu kommen. Zu sehr belastete sie die Vergangenheit, zu groß war die Angst vor allem Deutschen. Sie selbst war mit den ersten aus Ungarn 1944 abgegangenen Transporten nach Auschwitz gekommen, hat ihre Großeltern und ihren Vater in die Gaskammern gehen sehen. Wusste, auch ihre Mutter wurde dort umgebracht. Doch nachdem das Wuppertaler Schwurgericht zur Vernehmung nach Budapest gereist war, entschloss sie sich doch, den Schritt über die Grenze zu wagen. Als sie am 25. Juni 1987, dem 28. Verhandlungstag vor dem Wuppertaler Schwurgericht als Hauptbelastungszeugin erschien, sagte sie sofort:
Sprecherin:
„Ja, dort sitzt er. Immer lächelt er. Auch dort lächelte er.“
Autorin:
Ihre Aussage wurde von Tränen unterbrochen. Ihre Haltung war angespannt. Und nur unter äußerster Konzentration gelang es hier dem Gericht zu schildern, wie sie mit ansehen musste, wie ein kleiner Junge in Auschwitz den Angeklagten anbettelte, Weise ihn beschimpfte, ihm drohte, „ich werde dich erledigen“. Um ihm dann Dosen auf Kopf und Schultern zu stellen. Daraufhin fing der Junge an zu weinen, zu flehen.
Sprecherin,
jammerte und schrie das Kind, das war nicht zu ertragen. Nachher hat er dem Kind noch gesagt, es solle die Hände falten, es solle applaudieren und tanzen.
Autorin:
Als vor dem Kölner Oberlandesgericht im Herbst 1979 der Prozess gegen die Haupt verantwortlichen für die Deportation von etwa 70.000 Juden aus Frankreich begann, als Lischka, Hagen und Heinrichsohn endlich vor Gericht saßen, das wartete die Kammer am 17. Verhandlungstag vergebens auf Erna Schnarch, die an diesem Tag aussagen sollte. Und der Vorsitzende Richter konnte sich nicht verkneifen ihr Nichterscheinen mit den worten zu kommentieren:
Sprecher:
Ich kann gut verstehen, dass sie nicht vor einem deutschen Gericht erscheinen will.
Autorin.
Odette Daltroff-Baticle hingegen, damals 68 Jahre alt, war gekommen und wurde zunächst vom vorsitzenden Richter Fassbender mit der entschuldigenden Frage konfrontiert:
Sprecher:
Ich muss diese Frage stellen, sie sind mit dem Angeklagten weder verwandt noch verc hwägert?
Autorin:
Eine Frage, die angesichts dessen, um was es da vor Gericht ging, eine Ungeheuerlichkeit ist, aber dank der deutschen Strafprozessordnung nicht zu umgehen ist. Odette Daltroff-Baticle hatte sich im französischen Auffanglager Drancy, von dem aus die Züge gen Osten in die Konzentrationslager abfuhren, um die Kinder gekümmert.
Sprecherin:
Da kamen Kinder ohne Eltern aus Pithiviers. In schrecklichem Zustand. Wolken von ganz kleinen Insekten um sich herum. Die Kinder hatten Schnürchen um den Hals mit dem Namen drauf. Hatten Krätze. Ein Bild, dass ich nicht vergessen kann. Alle Kinder litten an Ruhr. Es gab nur eine Kohlsuppe oder Saft von Sauerkraut. Man fühlte sich wie geleert, hatte keine Zeit, sie zu trösten. Es gab keine Toiletten. Große Eimer waren aufgestellt, die tropften von einer Treppe zur anderen. Es ist unvergeßlich, es ist schrecklich, ich denke daran jeden Tag.
Autorin
Um dies weiter zu erzählen, um die Schrecknisse der Nazi-Diktatur zu dokumentieren, tun sich Leute wie Odette Daltroff-Baticle oder der Physiologe George Wellers aus Paris als Zeuge vor Gericht an. Auch wenn ihnen die Qual, die ihnen ihre Aussage zufügt, anzusehen ist. Als Dr. Wellers am 12. Verhandlungstag im Lischka Prozess aussagte, muss er seinen Kopf immer wieder stöhnend in die Hände stützen, ringt er nach Luft und kann nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.
Nicht alle Zeugen können angesichts der direkten Konfrontation mit ihren ehemaligen Peinigern die Fassung bewahren.
O-Ton Ambach
5:12 Mir ist aufgefallen, dass eine große Belastung für die Zeuginnen und Zeugen gewesen ist, wenn sie nach einiger Zeit der Vernehmung gebeten wurden, durch die Reihen, in denen die Angeklagten mit ihren Verteidigern saßen, zu gehen. Und zu versuchen, den einen oder die andere zu identifizieren. Da waren sie dann plötzlich den Gesichtern, die für sie Todesgefahr bedeutet hatte, bis auf ungefähr einen Meter entfernt. Und verursachten immer noch die Ängste wie früher. Mit einer Ausnahme, angeklagt war u.a. auch eine Aufseherin, die schon damals im Lager den Spitznamen auf polnisch Perelka, also Perlchen hatte. Die sich verhältnismäßig human den Leuten gegenüber verhalten hat. Wie wir von vielen Zeuginnen gehört haben. Eine Zeugin ist sogar, als sie vor ihr stand, hat ihr die Hand gegeben und gesagt, dass sie sich freue, sie wieder zu sehen, sie sei die einzig menschliche im Lager gewesen. 00:06:41-9
Autorin:
Der Sohn einer Zeugin, die im Prozess ausgesagt hatte, verlor eines Tages die Geduld:
O-Ton
8:50 Der Sohn begleitete seine Mutter, eine Jüdin, die in den USA lebte. Und wie immer bei den Zeugenaussagen war insbesondere eine Angeklagte, die im Lager den Spitznamen trug, Blutige Brigida, war Gegenstand der Aussage. Diese Frau war damals vorübergehend auf freiem Fuße. Und als der Sohn mit seiner Mutter und den anderen Zeugen durch die Altstadt in Düsseldorf gingen, sahen sie munter die Blutige Brigida, wie sie geheißen hatte, einkaufen und sich mit anderen Leuten unterhalten. Und das hat ihn dann so fürchterlich verärgert, und dann isser zu ihr hingegangen. Und hat sie geohrfeigt. Das sahen einige Bierkutscher, die gerade in der Nähe Bier abluden, die sagen dann nur, dass ein junger Mann eine alte Frau ohrfeigte – und haben den fürchterlich verdroschen.