Es gibt kein Entrinnen, WDR5, Neugier genügt, 18 Minuten, 2.11.2010

Redaktion Gundi Große

Psychoterror gegenüber dem eigenen Kind      

Kinderseelen können auf vielfältige Art gequält und gebrochen werden. Die offensichtlichste und meistens gut hörbare und fühlbare sind Schläge, Ohrfeigen, ist körperliche Gewalt. Doch eine andere Möglichkeit, Kindern das Vertrauen zu nehmen, sie zu verstören, kommt auf leisen Sohlen angeschlichen. Es ist der Psychoterror, der in Familien ausgeübt werden kann. Der Liebesentzug. Der wegen Nichtigkeiten verhängte Hausarrest. Das bestrafende Schweigen. Seit zehn Jahren ist es gesetzlich nicht nur verboten, Kinder körperlich zu züchtigen. Sie dürfen auch nicht mehr seelisch verletzt  oder anderweitig entwürdigend behandelt werden. Doch soll so etwas kontrolliert werden? Wer registriert schon  eine Beschämung, eine Herabsetzung des Kindes? Ingrid Müller-Münch hat sich bei heutigen Erwachsenen umgehört, die als Kind in ihren Familien einen Umgang erlebten, den sie als seelische Grausamkeiten und psychische Misshandlungen empfanden.

 

 

 

Musiktöne hörbar dann  unterlegt

O-Ton-Schwarzenberger, Erich, 1:45:50  Der größte Psychoterror ist für mich der Hausarrest gewesen. Und das war ein Mittel, das hat meine Mutter  angewandt. Da gabs banale Geschichten. Wenn mal die Schulnoten nett gut waren. Aber dann auch bei so Verfehlungen. An eine Szene kann ich mich besonders gut erinnern. Ich war vielleicht acht oder neun Jahre. Hab nagelneue Schuhe bekommen. Sind bei den Großeltern. Und da wird‘s mir zu langweilig und ich will dann raus und durft auch raus. Und hab mit den nagelneuen Schuhen Fußball gespielt. Hat man ja immer auf der Strasse gemacht. Und ich hab dann sofort ne Ecke weggestoßen vorne. An dem Schuh. Und komm so zurück und meine Mutter sieht das und das war dann klar: Hausarrest. Und das sind so Geschichten, ich war als Kind ganz oft und konnte das nicht aushalten, diesen Hausarrest und wollte raus. Ich wollte zu den anderen, weil man da ja ständig war. Und das wurde verhindert. Und ich bin immer zu meiner Mutter hin und hab gebettelt, dass sie mich schlägt, dass ich wieder raus darf. Ich hab um die Schläge gebeten. Und die war stur. Die hat nichts an sich rankommen lassen. Und hat mich auch völlig negiert. Das war so ein Psychoterror. Und ich glaube auch, so Geschichten hinterlassen Folgen.

 

Musiktöne hochgezogen und wieder unterlegt

 

O-Ton Theresia 4:37 Es gab eine Spezialität. Das war eine Art Gerichtsverhandlung. Ich war öfters mit meinem Vater alleine, wenn meine Mutter arbeitete. Und wenn ich dann irgendwas gemacht hatte, was schlimm war, also in die Hose gemacht oder so was oder zu laut gewesen bin, dann hat mein Vater gesagt, wir müssen auf die Rückkunft meiner Mutter warten und dann gibt‘s eine Gerichtsverhandlung. 5:01 Ich war da natürlich noch klein. Also das Schlimmste für mich war eigentlich diese Erwartungsangst.  Sagen wir mal das war morgens. Und meine Mutter kam nachmittags nach Hause, dann hab ich natürlich da schon Angst gehabt, den ganzen Tag bis meine Mutter kam. Und dann zogen sich meine Eltern zur Beratung zurück. Das nannten sie Gerichtsverhandlung. Und  ich hab vor der Tür gewartet, und dann wurd ich rein gerufen, und dann wurde das Urteil verkündet. Und ich musste damit einverstanden sein.  6:55 Ich fürchte, dass  dass der Wille oder ich so gebrochen war, dann irgendwann, dass ich tatsächlich einverstanden war. 

 

Musik hochgezogen und wieder unterlegt

 

 

 

O-Ton-Schläge-Hofmann

1/ 12 Ich bin Dr. Arno Hofmann, Facharzt für Innere und Psychosomatische Medizin. Ich bin 1991 nach USA gegangen für ne kurze Zeit und habe dort das kennengelernt, was man in Deutschland eben wenig kannte: Traumafolgestörungen. Menschen die seelische Traumatisierungen erleben und die davon psychisch und auch letztlich körperlich krank werden. Ich hab gelernt, diese Störungen zu diagnostizieren, hab verschiedene Behandlungsmethoden kennengelernt, und bin mit einem gewissen neuen Repertoire nach Deutschland zurückgekommen. 1:14  Von der Statistik ist es so, dass jede Woche in Deutschland ein bis zwei Kinder  tot geschlagen oder verhungert werden. Das ist so die Extremform. 2:44 Das nächste ist sexualisierte Gewalt. Sogenannter sexueller Missbrauch, sexuelle Übergriffe. Das ist ne Größenordnung, die viel schwerer zu erfassen ist. 3:02 Das Bundeskriminalamt berichtet von 13.000 Anzeigen, rechnet aber mit ner Dunkelziffer von 1 zu 20. Das bedeutet, sie haben ne Größenordnung von 300.000 sexuell Missbrauchten pro Jahr. 1/4:12 Dann kommt ne dritte Gruppe, das ist der sogenannte emotionale Missbrauch. Sehr schwer zu erfassen. Aber eine Kategorie, die Gesundheitsschäden, Gesundheitsfolgen hat.

 

Musiktöne

O-Ton Tilman Röhrig 0:22 Mein Name lautet Tilmann Röhrig. Ich bin Schriftsteller.  5:43 Ich komme aus einem sehr guten Elternhaus. Mein Vater war Pfarrer. Und ein sehr angesehener Pfarrer. 7:00? Ich vermute, dass sein Leben den grosssen Knacks bekommen hat, als meine Mutter, der er vorher fünf Kinder gezaubert hat, dass die dann irgendwann mit einem anderen Mann weggegangen ist. Ungeheuerlich für ein Pfarrhaus. Noch ungeheuerlicher ist, dass diese Frau die fünf Kinder nicht mitgenommen hat. Sie müssen sich vorstellen, das jüngste war gerade 9 Monate alt.  Ich war damals sechs. 10:52 Wir wurden so erzogen, dass all das Schlechte, wenn ich in der Schule schlecht war, wenn ich frech war, wenn ich aus dem Portemonnaie vielleicht etwas geklaut hatte, oder irgend solche Taten,  ja, ja das ist der schlechte Einfluss dieser Frau. Das heißt also, es wurden permanent und jeden Tag neue Pakete auf die Schulter dieser Frau geladen. Sodass wir natürlich innerlich etwas aufbauten, in kindlicher Verzweiflung, dass wir sagten, ja wie kann es denn nur sein, dass ich soviel Schlechtes mitbekommen habe. 12:30 Man sitzt da und verzweifelt, ja an den eigenen Anlagen, gegen die man sich scheinbar nicht wehren konnte. Aber man selbst muss sie ja trotzdem ertragen. 

 

Musiktöne

 

O-Ton Arne Hofmann 1/11:44 Der sogenannte emotionale Missbrauch ist ja ne weichere Kategorie. Aber wir erleben häufig, dass Menschen in Therapien kommen und sagen, wissen sie, meine Eltern haben mich immer abgelehnt. Und irgendwann hat mir meine Mutter gesagt, eigentlich sollte es mich gar nicht geben. Und während der Schwangerschaft wurde diskutiert, ob ich abgetrieben werden solle. Und solche Dinge. Also massivste Mitteilungen von Ablehnungen, von Entwertung bis hin zu Beschämungen.

 

Sprecherin: Ilka, ich bin geboren in Bochum. Meine Eltern waren Kaufleute. Wir hatten immer ein eigenes Geschäft. Und später kamen dann halt noch Grundstücke und Häuser dazu. Ich bin halt oft eingeschlossen worden in meinem Zimmer, mit Rolladen runter. Und dann, wenns ganz hart auf hart kam, wurden die Rolladengurte durchtrennt, dass ich die Holzrolladen nicht mehr aufmachen konnte. Dann war ich regelrecht gefangen. Und meine Kinderzimmertür ging halt zur Seite auf, so dass ich die Tür nicht auftreten konnte. Also ich saß dann echt da drin. Da wurden die Sicherungen rausgedreht, damit ich keinen Strom mehr hatte. Aber ich hatte vorgesorgt. Mein Zimmer war ein richtiges Survival-Camp. Auf den ersten Blick sah alles normal aus. Aber hinter meinem Bett waren Lebensmittelreserven gebunkert. Ich hatte vor allem Spiritus und Petroleum. Damit konnte ich Licht basteln, damit ich weiterlesen konnte. Weil ich auch das nicht mehr durfte. Wenn ich zur Toilette musste, wurde kurz aufgeschlossen.

 

O-Ton-Tilman Röhrig 16:10 Ich werde nie vergessen, meine ersten literarischen Ergebnisse. ich war also sehr aufmüpfig in den Augen meines Vaters, und deshalb verurteilte er mich, dass ich diesen Riesenschinken „Der Vater“ von Jochen Klepper, den musste ich lesen, und musste ihm jeden Abend stehend vor seinem Schreibtisch den Rapport über die Kapitel geben, die ich gelesen hatte. Das heißt also Literatur war da für mich eine Peitsche, wenn man so will. lacht. 

 

O-Ton Theresia 0:32 Ich bin Theresia, bin von Beruf Künstlerin. Also, ich bin als Einzelkind groß geworden. Meine Eltern waren beide auch Künstler. 3:16 Na ja. Erst mal hiess es immer, ich muss leise sein. Ich darf meine Eltern nicht stören. Ich sollte auch möglichst viel in meinem Zimmer alleine möglichst da leise spielen. Das wurde dadurch dann aufgefangen, für mich, dass ich halt auf der Strasse draussen gespielt hab. Aber Zu Hause musste ich halt sehr leise sein. Und so ein Erlebnis, was mich sehr traurig gemacht hat, war mal, ich war in den Ferien immer bei meiner Oma, weil meine Eltern immer gerne alleine verreisen wollten. Und dann kam ich wieder nach Hause zurück und hab mich riesig gefreut zu Hause  zu sein. Und bin, da war ich so fünf Jahre alt, auf den Kleiderschrank geklettert und immer auf mein Bett gesprungen. Und hab juhu gerufen. Bin wieder  auf  den Kleiderschrank wieder runter gesprungen. Und da kam mein Vater rein in mein Zimmer. Hat die Tür aufgemacht, hat gesagt, du mussst leise sein, deine Mama ist nicht mehr gewöhnt ein Kind zu haben. Und das weiss ich, dass mir das wahnsinnig in den Magen gefahren ist, weil ich dann plötzlich dachte, da werd ich wieder weggeschickt. Wenn ich zu laut bin. 

 

Musiktöne

 

O-Ton-Arne Hofmann 13:50  Wenn Eltern unsensibel, nicht feinfühlig und unter Druck sind, dann tun sie und sagen sie manchmal Dinge, die sehr sehr verletzend sind. Und wenn sie selber schlechtes Selbstwertgefühl haben, dann geben sie spontan dieses schlechte Selbstwertgefühl gelegentlich an ihre Kinder weiter. Und das geschieht manchmal selten, in manchen Fällen häufiger. Das kann eben bis hin zu diesem fast sadistisch erniedrigendem sein, mehr oder weniger demjenigen bewusst, der es tut. Und in dieser Gesamtgraduierung bewegt sich das.   

 

 

 

 

O-Ton Theresia 11:19 Ich kam mir unerwünscht vor. Weil mir eben oft gesagt wurde, ich wär zu laut. Ich soll leise sein. Ich mache zu viel Unordnung. Oder zu viel Remidemi. Das verträgt meine Mutter nicht. Oder meine Grossmutter hat immer gesagt, ich muss immer in den Ferien bei ihr sein, weil ich die Ehe meiner Eltern störe. Wenn meine Eltern sich streiten, dann streiten sie sich nur meinetwegen. Ich wäre der Anlass für ja Unfrieden. 

 

 

 

O-Ton Theresia 25:50 Es gibt eine Fotoserie von mir, so Portraits, ziemlich schön. Da war ich auch so sechs Jahre. alt. Und da sieht man wie ich weine. Und da sieht man richtig wie die Tränen kommen. Und wie die Augen voll werden. Und wie sie dann runter rinnen, die Tränen. Und dann hab ich später meinen Vater gefragt, ja warum hast du mich denn nicht getröstet? Das Bild war so schön. Das Licht war so gut. Ich wollte das aufnehmen. Und. Also ich mag eigentlich auch jetzt keine Mikrophone. Und lasse mich ungern fotografieren.  (26:06)

 

 

O-Ton-Arne Hofmann 47:53 47:53 Die Aussage, man müsse sich an Demütigungen und Rückschläge gewöhnen, schon in der Kindheit, ist einfach nur Quark. Das ist eine Ideologie, der nicht geschundene Mensch wird nicht erzogen. Das ist uralte schwarze Pädagogik. Das heißt, wenn sie Kinder traumatisieren, sind sie funktionsfähiger. Studien zeigen genau das Gegenteil. Traumatisierte Kinder sind weniger funktionsfähig als Soldaten, denn das ist ja das Argument, das häufig vorgebracht wurde, grad damals, Nazizeit.  Soldaten, die in der Kindheit traumatisiert sind oder die viel Belastungen in der Kindheit erlebt haben, dekompensieren viel wahrscheinlicher im Stress des Krieges, als das Menschen, die ein gesundes stärkendes befürwortendes Elternhaus gehabt haben. Also das Argument stimmt sachlich einfach nicht. Das ist ideologischer Quark.

 

 

O-Ton-Theresia 26:08 Zu seelischer Grausamkeit gehört für mich, die Unmöglichkeit mich zu entschuldigen. Also, ich hab irgendwas gemacht.  Mein Vater war sauer. Und hat geschwiegen. Und hat die Tür zu gemacht. Ich hab mich im Recht gefühlt vielleicht sogar. 5 Minuten lang. Und dann hab ich aber gedacht, er soll wieder lieb sein. Und hab mich entschuldigt. Hab geklopft. Bin rein. Hab gesagt, Papa, bitte, bitte, sei wieder lieb. Es tut mir leid. Und dann ging der ganze Sermon von vorne los. Dann hat er gesagt, siehst du, jetzt siehst du ja ein, was du Schlimmes gemacht hast. Und das ganze ging von vorne los. Ich wurde noch mal mit der Nase in den Dreck gestupst. Nicht nur gestupst, sondern gedrückt und gewühlt. Und ich hatte einfach das Gefühl, es gibt kein Entrinnen. Wenn ich also schweige und mich nicht entschuldige, bin ich böse. Wenn ich mich entschuldige geb ich zu, dass ich böse bin. Und nie ist es gut. 

 

 

 

Sprecherin: Später, als meine Mutter dann gestorben ist, wurde auch die Küche zur Strafe abgeschlossen, wenn wir nicht lieb genug waren. Und dann haben mein Bruder und ich immer versucht, über diese Durchreiche im Esszimmer in die Küche einzubrechen wenn wir Hunger hatten. 

 

 

O-Ton Tilman Röhrig: 22:15 Ich überlegte mir, nachmittags bei uns im Garten gab es hin und wieder was zu tun. Wenn ich abends was von meinem Vater wollte, was kann ich denn tun, um ihm zu gefallen. Ich will‘s ganz bewusst ganz kindlich machen. Also setzte ich mich hin und holte jedes kleinste Unkraut aus unserem blöden Steingarten, und das erste was ich dann abends machte, war meinen Vater zu holen. Schau mal, was ich hier gemacht hab,  wie man das als Kind so macht. Und darauf hin fragt man dann, und dann sagt er, das muss ich mir überlegen.  Also wusste ich, es reicht ihm noch nicht. Dann ihn fragen, was soll ich denn noch machen. Und dann kam er, ja wenn du dann auch noch ne Zwei in der Mathe-Arbeit hast. Dann – was natürlich unerreichbar für mich war – dann wirst du das bekommen. Also wusste ich, dieses schaffe ich niemals. 

 

Musiktöne

 

 

O-Ton Theresia 23:34 Was ich als sehr schlimm empfunden habe, als einen großen Vertrauensbruch, war einmal, dass, mein Vater hatte einen Faible für Tonbandgeräte und so was. Und überhaupt für technische Geräte. Er hat sehr gerne fotografiert. Und viele Tonbandaufnahmen gemacht. Und ein mal hatte ich wieder was gemacht. Ich hatte glaub ich in die Hose gemacht. Mein Vater war mit mir alleine. Und hat mit mir geredet, dass das ganz schlimm ist. Und dass meine Mutter sehr enttäuscht sein wird, wenn sie nach Hause kommt. Dass ich wieder in die Hose gemacht habe. Und was wir denn machen können, dass meine Mutter nicht enttäuscht ist. Und dann hab ich so gebeten und gebettelt, und hab gesagt, ich machs nie wieder. Und ich mach für die Mama auch ein Abendessen. Und ich lern ein Gedicht. Oder ich weiss nicht mehr genau was alles. Also, ich habe viele Versprechungen gemacht. Und dann hat mein Vater gesagt, ja ok. dann, ist gut dann. Es ist gut. Und dann sagen wir‘s der Mama nicht. Und dann kam meine Mutter nach Hause. Und dann wurde unter großem Hallo ein Tonband abgespielt, wo er das aufgenommen hatte. Dieses ganze Gespräch. Wie ich mich gewunden habe. Und versucht habe, und versprochen habe, und das wurde eben vorgespielt. Und da hab ich wohl, weil ich ja noch sehr klein war, merkwürdige Redewendungen benutzt, die wirklich lustig waren. Und dieses Band wurde immer wieder, auch wenn Freunde waren, zu Besuch waren, immer wieder dieses Band vorgespielt. Und ich hörte das immer wieder. Und es wurde sehr gelacht. Und das hat mir sehr viel ausgemacht.

 

 

O-Ton Tilman Röhrig 18:50 Ich bin sehr oft blamiert worden. Nicht, dieses Missgeschick passiert. Dann kommt ne Tante zu Besuch, die man an sich sehr nett fand und so als Vorpubertierender vielleicht sogar ein bisschen anhimmelte, und gerade der wurden dann alle Peinlichkeiten so etwas lächelnd mitgeteilt, und man stand an der Tür oder noch im Flur und hörte das schon und traute sich natürlich nicht mehr reinzugehen. Also das sind furchtbare Situationen gewesen. 

 

 

O-Ton Arne Hofmann1/12:00

Beschämungen vor anderen, das sind Dinge, die bleiben nicht in den Socken stecken. Und wir haben immer gedacht, jetzt auch in der Forschung, dass die körperliche Gewalt etwas sei, was so viel massiver sei, weil es so offensichtlich ist. Und wir finden, dass die seelische Belastung bei den Menschen, die in dieser massiven Weise abgelehnt, erniedrigt, beschämt worden sind, dass das relativ gleich ist, in dem, was es als Folgen hervorruft. Ist viel schwerer zu erfassen, aber wenn sie diese Menschen nach Selbstwertgefühl fragen und anderen Dingen dann finden sie ganz erstaunliche Dinge und das ist fast, als wenn sie jemanden einen Keimling für eine Depression mitgeben. Wenn sie sowas als Eltern tun. 

 

Musiktöne

 

 

O-Ton Tilman Röhrig 33:45 Ich denke schon, es hat mit den Schlägen und eben auch mit diesen seelischen Strafen etwas zu tun. Die Schläge sind ja nur ein Teil. Aber viel diffiziler sind natürlich diese nachhaltigen, also blamiert werden, lächerlich gemacht werden. Oder wenn man endlich etwas wusste, weil man was gelernt hatte, sofort vorgeführt bekommen, wie wenig das doch an sich ist, im Verhältnis zu dem, was meinetwegen die Stiefmutter weiss oder der Vater weiss. 34:27 Immer, immer in die Schranken gewiesen. 

 

 

O-Ton Preuss-Lausitz 0:37 Ich heiße Ulf Preuss-Lausitz, bin emeritierter Hochschullehrer für Erziehungswissenschaften. 8:32 Es geht ja nicht nur um das Schlagen, es geht auch um Einsperren solche Sachen. Also strenge Strafen, bei abweichendem Verhalten für die jeweilige Gesellschaft. Und die Persönlichkeitsstruktur, die daraus entsteht, ist die die Adorno die autoritäre Persönlichkeitsstruktur genannt hat. Er hat sich ja gefragt, wie kommt es denn, dass im Dritten Reich die Leute so begeistert dem Hitler zugejubelt haben. Wieso war der Führer so eine faszinierende Figur für ganz viele Menschen? Die eigentlich im Alltag ganz normale, freundliche, reizende Personen sind. Und erklärt hat er sich dadurch, dass das doch hier über jahrzehnte, jahrhunderte lang, also die Gesellschaft generell, autoritär erzogen worden ist. Dass die Macht bewundert worden ist. Und , immer wenn man die Macht bewundert, hat man ja häufig so eine Radfahrer Einstellung. Nach oben buckeln und nach unten treten.  Also diese Einstellung hat Adorno sehr schön beschrieben und er erklärt dadurch, dass es so viele autoritäre Regime im 20. Jahrhundert gegeben hat. Die auch Zustimmung bekommen haben. 

 

 

Musiktöne

 

O-Ton Theresia 28:46 Es hat mir mein Leben nicht leichter gemacht. Ja. Es hat mein Leben schwer gemacht. Und ich habe oft so ein Gefühl von Schwere, und ich bin immer froh über die Tage, wo das mal nicht ist.

 

 

O-Ton Arne Hofmann 15:05 Gelegentlich nehmen wir Menschen in Therapien, wo wir sagen, au, das ist aber schwerwiegend, das hat vielleicht nicht unbedingt Symptome von Krankheitswert, aber der Mensch leidet dadrunter. Und dann gucken wir, ob wir ihm helfen können. Aber die Standardschwelle für alle Forschungsuntersuchungen sind Symptome von Krankheitswert. Und da würde es definitiv Menschen geben, die emotionale Übergriffe, Erniedrigungen, Beschämungen erlitten haben, und nicht viel sexuelle Gewalt oder körperliche Gewalt und die trotzdem psychisch Krankheitssymptome haben, 15:44 Trauma-Folge-Störungen.

 

Musiktöne

 

Tilman Röhrig 31:28 Sie müssen sich das vorstellen. Wenn jemand meinen Vater von aussen angriff, verbal, so wie dein Vater ist doof, prügelte ich mich leidenschaftlich für meinen Vater. Das ist ja dieses Paradoxe. Dieses Kind,  was gestraft wird, was aber weil es einfach den Halt der Familie haben möchte, und trotzdem dieses als Hort bezeichnen möchte, verteidigt auch das allerschlechteste Elternhaus. Und genau so gibt es natürlich dann, in dem Moment, wo gelacht wurde, in dem Moment wo es lustig war, liebte man plötzlich und überliebte man letztlich den Vater und auch die Familie. Einfach nur, dass man sagt, huch jetzt endlich bin ich geborgen und das will ich haben. Was natürlich sich auch viel später darin äussert, sobald jemand freundlich zu mir war, dann überschüttete ich den mit meiner Zuneigung und tötete ihn damit gleichzeitig. Das heißt also, so viel Potential an Liebe, was man plötzlich geben konnte. konnte der andere gar nicht aushalten.   33:12 Endlich mal lieb gehalten werden.

 

Musiktöne

 

O-Ton Tilman Röhrig 33:19 Ich habe mich nie geliebt gefühlt. Sondern ich habe mich immer als geduldet betrachtet. Und ich musste mir dieses geduldet werden auch noch verdienen. 

 

Ausklangmusik