WDR5, Neugier genügt, 13.2.09, 18-Min-Feature Beate Klarsfeld wird 70

Heute feiert eine Frau ihren 70. Geburtstag, die einen Großteil ihrer Lebenskraft in  die Vergangenheitsaufarbeitung in diesem Land investiert, ja sie angetrieben hat: Beate Klarsfeld gilt seit dem Tag an dem sie den deutschen Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger ohrfeigte als die Frau, die vor nichts und niemandem Respekt hat.  Die einen waren ihr dankbar dafür, dass sie endlich Nazitäter entlarvte und bloßstellte. Andere sahen in ihr nichts weiter als eine  Unruhestifterin. Ingrid Müller-Münch hat Beate und ihren Mann Serge Klarsfeld einen Stück ihres Weges begleitet. 1980 im Kölner Prozess gegen Kurt Lischka, der wegen Beihilfe zum Mord an den über 70.000 aus Frankreich deportierten Juden vor Gericht stand. 1987 traf sie beide wieder in Lyon während des Prozesses gegen den berüchtigten Schlächter Klaus Barbie. Zehn Jahre später dann in Bordeaux, wo der einstige Generalsekretär des Departements Gironde, Maurice Papon, zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Als die Klarsfelds später immer wieder versuchten, den Judenjäger Alois Brunner in Syrien aufzuspüren, hat sie auch hierüber berichtet. Nun sprach sie mit Beate und Serge Klarsfeld in deren Pariser Büro, von wo aus Beide noch heute ihren andauernden Kampf gegen das Vergessen führen.

Ingrid Müller-Münch an Dr. Ingrid König

 

Beate Klarsfeld – zum 70. Geburtstag

 

 

Autorin:

7. November 1968. Bundesparteitag der CDU im Berliner Kongresszentrum. Sitzungspräsident war an dem Tag Adolf Müller-Remscheid.

 

O-Ton  Adolf Müller-Remscheid:  5067380001, 13 ziemlich weit vorne:

Vor uns saß Bundeskanzler Kiesinger, Vorsitzender der Union, mit dem geschäftsführenden Vorstand. Ich sah dann eine junge Frau aus dem Saal kommen, hinter den Vorstandstisch gehen und auf einmal hat sie dem Kanzler eine gescheuert.

 

O-Ton Frauenruf „Nazi“ und Klatsch (Ohrfeige)

 

O-Ton-Beate-K. 1-1:15

Die Ohrfeige, die Ohrfeige ist ja geblieben. Das war die symbolische Aktion der jungen Generation, der Kinder der Nazis, die mit dieser Aktion versucht hat zu sagen, Stop! Also keine Kontinuation der NS-Verbrecher oder Nazi-Verbrecher oder Schreibtischtäter in den offiziellen Funktionen. Bon. Und dann eben, der Höhepunkt war, dass man einen Nazipropagandisten ins Amt eines Bundeskanzlers, des Chefs der Deutschen Regierung, wählen konnte.

 

Autorin:

Der einstige Nazipropagandist Kurt-Georg Kiesinger,  nunmehr dritter Kanzler der neuen deutschen Republik, wehrte sich noch am gleichen Tag vor seinen Parteigenossen gegen Beate Klarsfeld, die ihn vor aller Welt abgewatscht hatte.

 

O-Ton Kurt-Georg Kiesinger  50351750 3/2:18

Sie hat ja auch schon mal im Bundestag schon eine Lärmszene veranstaltet, das steht vielmehr in Verbindung mit jenen Radaugruppen, die wir im letzten Jahr in Deutschland in unseren Universitätsstädten und sonst wo erlebt haben. Dort treibt sie sich überall herum, bewaffnet mit Material, das aus östlichen Quellen gespickt wird. Ich wollte das nur sagen.

 

Autorin:

Durch diese Ohrfeige wurde Beate Klarsfeld mit einem Schlag berühmt. Und die NS-Vergangenheit Kiesingers wurde plötzlich Medienthema.  Beate Klarsfeld hatte ihr Ziel erreicht.  Kiesinger konnte seine  Vergangenheit nicht mehr, wie es  im Deutschland vor 1968 üblich war, geflissentlich verschweigen.

 

O-Ton Beate K.: 2-2:54

Es waren nur wenige Zeitungen damals, die über die Kiesinger-Vergangenheit sprachen. Es war hier in Frankreich der Figaro, ein bißchen Israel, aber so im allgemeinen Deutschland war das tabu. Und dann haben wir gesagt, wir versuchen die Sache weiter zu verfolgen. 3:30 Erste Zwischenfall war damals ein Zwischenruf im deutschen Bundestag in Bonn, „Kiesinger, Nazi, abtreten!“ Unterbrechung seiner Rede. Die Zeitungen mussten von der Unterbrechung reden, aber auch von seiner Vergangenheit. Und dann eben haben wir zusammen organisiert diese Ohrfeige in Berlin.

 

Autorin:

Damals war Beate Klarsfeld eine junge Frau die in Paris lebte, verheiratet mit Serge Klarsfeld, dem Sohn eines  von den Nazis deportierten Vaters, den sie in ihrer Zeit als Au-pair-Mädchen kennen gelernt hatte. Sie hatten gerade ihr erstes Kind bekommen. Woher nahm sie den Mut, sich derart zu exponieren?

 

O-Ton-Beate 1-2:05

Es war kein Mut, würde ich sagen, Es war eine lange Entwicklung.

2-0:29 Also ich würde sagen, nachdem ich nach Paris kam, Serge kennenlernte, mir die Augen öffnete über das, was in Deutschland geschehen war, 33-45, war die Tatsache, dass man als Deutsche irgendwie sich engagieren muss. Keine Gesamtschuld. Aber zumindest diese historische und moralische Verpflichtung, die man als Deutsche hatte. 

2-0:20 Wenn man als Deutsche in den 60er Jahren hier lebte, es war natürlich, meine Schwiegermutter war sehr wohlwollend mir gegenüber. Aber es gab natürlich Freunde von Serge,die sagten, ne Deutsche, mit der gehst Du aus? Und so weiter.

 

Autorin:

Beate Klarsfeld arbeitete damals als  Sekretärin beim Deutsch-Französischen Jugendwerk, eine unscheinbare, unbedeutende junge Frau. Dennoch wagte sie den Schritt aus der Anonymität heraus und stiftete Unruhe. Die Kiesinger-Ohrfeige war die erste einer anhaltenden Kette von außergewöhnlichen und ausgesprochen erfolgreichen Aktionen. Vor allem die deutsche Presse diffamierte sie allerdings zunächst  als „krankhaft geltungssüchtige Jeanne d’Arc“ oder – weit unter der Gürtellinie – als „eine unbefriedigte junge Frau“. Doch sie scherte sich nicht um das, was die Leute über sie sagten.

 

O-Ton Beate K.: 1-4:36

Mein Vater ist sehr früh gestorben, hat also die Kiesinger-Affäre gar nicht mehr miterlebt. Meine Mutter war überhaupt nicht politisch interessiert. Und bon, die Ohrfeige und die ganze Kampagne gegen mich war für sie unangenehm. Natürlich richtete sie sich nach dem, was die Nachbarn über mich erzählten. Das war natürlich sehr negativ. Aber sie hat sich dann ein bisschen beruhigt, und ich würde sagen, sich auf unsere Seite gestellt, nachdem die Kinder geboren. Sie kam dann nach Paris, sie lernte meine Schwiegermutter kennen, die sehr fließend deutsch sprach. Und dann sah sie auch die Auszeichnungen, die von anderen Ländern kamen für unsere Aktion, für meine Aktion, und ich würde sagen, dann war sie also dann doch ein bißchen beruhigt.

 

Autorin:

Noch am Abend des 7. November 1968 wurde Beate Klarsfeld von einem deutschen Schnellgericht wegen des tätlichen Angriffs auf den Kanzler zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt. Ein Urteilsspruch, der keinen Bestand hatte, durch den die Ohrfeige jedoch erst recht weltweite Publizität bekam. Als  deutsch/französische Staatsbürgerin wurde sie noch am gleichen Abend auf freien Fuß gesetzt. Nach Paris zurückkehrte, begrüßte sie in ihrer Wohnung ein Strauß roter Rosen, mit einem Danke-Schön von Heinrich Böll.  Der Schriftsteller hatte als einer der Wenigen öffentlich Beates Ohrfeige als das erkannt, was sie sein sollte: Ein Aufstand gegen das Vergessen ebenso wie  der Auftakt eines lebenslangen Engagements, das Beate und ihren Mann Serge zu einer Art rebellischem Familienbetrieb zusammenschweißte.

 

O-Ton Serge 3-18:25

Sprecher: 

Bei den deutschen Aktionen war es Beate, die die Federführung übernahm.  Ich habe ihr dabei geholfen. Später in Frankreich, als es darum ging, dass die französischen Waisenkinder der deportierten jüdischen Eltern die dafür Verantwortlichen vor Gericht sehen wollten, war ich federführend und Beate half mir.

 

O-Ton Film franz. Über Lischkaprozess ca. 1:10

 

Autorin:

Genauso war es. So zum Beispiel, als es galt, den Nazi-Verbrecher Kurt Lischka zu stellen, der friedlich und unbehelligt in Köln lebte.  Wie die Klarsfelds dabei vor sich gingen, wird in dem Ende Mai auf Arte ausgestrahlten Film La Traque, die Hetzjagd geschildert. Lischka aufzuspüren und die Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam zu machen, das war eine der ersten von vielen gemeinsamen Aktionen der Klarsfeld.   

 

O-Ton Filmszene Hetzjagd nach ca, 30 Sek.

 

O-Ton Beate K. 3-1:18

Dann 71, wir hatten ne Gruppe von Freunden, die sich um uns gescharrt haben. Das waren alles Jugendliche, die Eltern verloren hatten in den Deportationen, Geschwister, und wir dann sahen, dass die nun die verantwortlich waren, unbestraft in Deutschland lebten. 1:58 Wir haben versucht als Gruppe von Überlebenden, die versucht haben, etwas zu tun, erreicht, was in Deutschland nie geschehen war: Wir haben die deutsche politische Gesellschaft gezwungen zu tun, was sie hätten tun sollen seit langem: Diejenigen zu verurteilen, die in Frankreich verantwortlich waren für die Deportation der 76.000 Juden aus Frankreich. Meine Rolle war immer die einer Deutschen, die sich als Deutsche fühlt, die das als Deutsche tat. Was wahrscheinlich auch die Schlagkraft meiner Arbeit war.

 

 

Autorin:

Meist war es überraschend einfach,  Naziverbrecher wie Kurt Lischka, Ernst Heinrichsohn, Herbert Hagen, Klaus Barbie und viele, viele mehr aufzuspüren. Also jene Männer, die für die Deportation der Juden aus Frankreich verantwortlich waren.

 

O-Ton Beate 3-2:36

Na ja, die lebten ja alle unter eigenem Namen. In Köln Lischka, Heinrichson in Bürgstadt, war Bürgermeister, Rechtsanwalt, Herbert Hagen in Warstein.

4:48 Im allgemeinen, die waren ja alle im Telefonbuch. Wir haben Lischka so gefunden. Ich weiß, dass Lischka, der war in der Tschechoslowakei festgenommen worden, kam zurück nach Deutschland. Er war ja 1933 Gestapochef in Köln. Und wir dachten nach dem Krieg, er wird in eine Stadt zurückkommen, wo er noch frühere Freunde hatte.Ich hatte dann versucht, über den Internationalen Auskunstdienst zu fragen, haben sie einen Kurt Lischka in Köln. Und die Frau rief dann kurz zurück, ja, Bergisch Gladbacher Straße, Kurt Lischka. Heinrichsohn, wir wussten, dass er während des Krieges, als er mit 21 nach Frankreich kam, Jurastudium begonnen hatte und wir dachten dann, nach dem Kriege wird er das wahrscheinlich beenden. Wir hatten dann die nationale Anwaltskammer dann befragt, kennen sie einen Herrn Heinrichsohn irgendwie in Deutschland. Und dann sagten die, ja der ist in Miltenberg. Und da hatten wir seine Adresse in Miltenberg.

 

O-Ton Serge 3-9:20

En Allemagne, pour faire juger

Sprecher:

Um diese Verbrecher, die für den Völkermord an den Juden verantwortlich waren, in Deutschland vor Gericht zu bringen,  mussten wir uns 10 Jahre lang  herumschlagen.

 

Autorin:

Manchmal übermannte beide der Zorn, der Frust darüber, dass sich nichts bewegte. Nicht immer ging alles gewaltfrei vonstatten. Kurt Lischka wollten sie von Köln aus nach Frankreich entführen, wo er in Abwesenheit längst verurteilt worden war. Als das misslang, stellte ihn Serge Klarsfeld eines Tages auf der Straße und hielt ihm eine allerdings nicht geladene Pistole an den Kopf.

 

O-Ton Serge K.  37:03

C’est pas de veritable violence…

Sprecher:

Das war  keine Gewalt. Wenn ich ihn hätte töten wollen, hätte ich das auch getan. Aber jemanden umbringen, das wäre eine aus der Hoffnungslosigkeit geborene Tat.  Wir haben aber nie die Hoffnung aufgegeben, dass es uns gelingen würde, die deutsche Gesellschaft und die deutsche Justiz zum Handeln  zu zwingen. Dazu, die Nazi-Verbrecher abzuurteilen, die bis dahin friedlich in Deutschland  nach dem Krieg lebten. Durch den Druck,  den wir ausgeübt haben, wurden sie endlich  von der deutschen Justiz angeklagt und verurteilt.

 

Autorin:

Wer die Geschichte von Serge Klarsfeld kennt, kann verstehen,  was die beiden angetrieben hat.

 

O-Ton Serge: 3-12:48

S: 12:48 C’est à dire les allemands sont ,…..

Sprecher:

Die Deutschen hatten Nizza am 8 September 1943 besetzt. Sie haben die Italiener einfach rausgeschmissen. Und dann begannen sie gleich mit großen Razzien. In Nizza lebten  damals mindestens 25.000 Juden, die dorthin geflüchtet waren und auf den Schutz der italienischen Besatzer gehofft hatten. Aber nur wenigen war es gelungen,  mit den von den Deutschen vertriebenen Italienern zu fliehen. Die Razzien sahen so aus, dass ganze Häuserblocks umstellt wurden, Wohnung für Wohnung durchsucht wurde. Das waren damals in Nizza die brutalsten Razzien in ganz Westeuropa.

(Hochziehen S. 13:38 Comme on ne pouvait pas…).

Da wir nicht aus Nizza rauskamen, weil alle Züge kontrolliert wurden, hat mein Vater in einem Schrank eine doppelte Rückwand eingezogen. Vorsorglich. Denn, so sagte er, falls es  zu Verhaftungen komme sei er selbst zwar stark genug, um zu überleben. Aber wir würden das nicht schaffen.  Schwache wie  meine Schwester und ich oder wie meine Mutter könnten nicht zur Arbeit herangezogen werden. Damals war ich sieben Jahre alt.

(Hochziehen14: 20)

 Am Tag vor Schulanfang, am 30. September, erleuchteten plötzlich Scheinwerfer unsere Zimmerdecken. Man hörte Schreie. Wir nahmen unsere Kleider und krochen in das Schrankversteck. Mein Vater blieb draußen, um die Türe aufzumachen, damit die Deutschen sie nicht eintraten. Wir hörten, wie  Nachbarn geschlagen, Kinder geprügelt wurden. Wir blieben im Versteck. Mein Vater öffnete die Türe. Die Deutschen kamen rein, durchsuchten die Wohnung. Einer öffnete die Schranktür, schob die Kleider zur Seite, aber er hat die Rückwand nicht berührt.

(Hochziehen 15:26)

Die ganze Nacht hörten wir Schreie, Weinen..

 

Autorin:

Das, was Serge Klarsfeld als siebenjähriger Junge erlebte, hat ihn geprägt. Sein ganzes weiteres Leben bestimmt. Und damit auch das seiner Frau Beate.  Gemeinsam haben sie Nazis aufgespürt, Nazis vor Gericht gebracht, Dokumente gesichtet, jahrzehntelang nicht locker gelassen, Archive und Bücher mit allem gefüllt, was es über das Leben der deportierten Juden aus Frankreich überhaupt noch aufzufinden gab. Die Klarsfelds und ihre Helfer von den „Fils et Filles des déportés juives de France“, also den Kindern der deportierten französischen Juden, hatten auch den einstigen Gestapochef von Lyon, Klaus Barbie, in Südamerika aufgespürt und soviel Druck ausgeübt, dass Bolivien ihn in einer Nacht- und Nebelaktion an Frankreich auslieferte, wo er 1987 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Der Film „La Traque“, auf deutsch „Die Hetzjagd“, der voraussichtlich am 29. Mai auf Arte ausgestrahlt wird, zeigt deutlich, wie gefährlich ihr Unterfangen damals war. In diesem Film spielt Franka Potente die Rolle der Beate Klarsfeld, Hanns Zischler verkörpert Klaus Barbie.

 

O-Ton Filmszenen c’est quoi….1:22:54 – 1:23:20

 

O-Ton Beate K. 3- 43:03

Das war gefährlich, auf jeden Fall. Das war gefährlich.

3-20:10 Risiko gabs immer. NS-Verbrecher aufzuspüren, die im Ausland waren, Brunner in Syrien, Klaus Barbie in Bolivien, Mengele in Paraguay. Und ich meine, da geht man natürlich ein Risiko ein. Aber ich will mal sagen wir haben versucht, ein bisschen zu mildern. Wenn ich in diese Länder reiste, Serge und unsere Freunde haben das vorbereitet, und wir haben versucht, zumindest meine Ankunft dort anzukündigen.  Sodass die Presse schon informiert war. Natürlich, man kann so etwas nicht machen, ohne Risiko einzugehen. Die Kiesinger-Affäre schon hätte schlecht ausgehen können, denn in der ersten Reihe saßen die Bodyguards. Hätte ich nicht hinter ihm gestanden, hätte ich erschossen werden können. 

3-21:06 Die einzige Gefahr war, dass derjenige, der uns sofort festnimmt, irgend ne Blödheit beging, uns foltert oder erschießt.

 

Autorin:

Es ging nicht immer alles glatt. Mehrfach wurde Beate Klarsfeld festgenommen, hat so manches Gefängnis von innen gesehen:

 

O-Ton Beate K 3-21:46

Ich war in Köln gewesen, in arabischen Ländern, in Südamerika. Die Gefängnisaufenthalte waren auch immer ein Mittel, um auf unsere Sache aufmerksam zu machen.

 

Autorin:

Ihre Gegner versuchten, die  Klarsfelds einzuschüchtern.

 

O-Ton Filmszene 1:10:15 Bombenexplosion

 

O-Ton Beate K: 27:20

Wir hatten eine Bombe ins Haus bekommen, die GottseiDank nicht explodiert ist. Wir haben auch auf dem Telefon viele Drohungen bekommen. 

Telefonklingel 27:38

Serge: Viele Anrufe

B: 27:390 Die Kinder sind bedroht worden. Wir hatten Polizeischutz hier. (Im Hintergrund telefoniert Serge, Oui Bonjour) Bon, ein Risiko, das man auch eingehen muss. GottseiDank, die Bombe ist nicht explodiert und das Auto ist auch nicht in die Luft gesprengt worden. 

Serge im Gespräch im Hintergrund 29:40 Quel prénoms, je vois au moins une quarantaine?

 

O-Ton Serge K 3-:33:52  Le Monsieur voulait savoir…

Sprecher: 

Der Anrufer wollte eine Auskunft. Sein Vater hat ihm nie von seinen deportierten Großeltern erzählt. Im Internet hat er zwar die Namen seiner Großeltern gefunden, aber nicht die von zwei seiner Tanten. Er sagte mir, dass die beiden damals 16 / 17 Jahre alt waren. Also habe ich zunächst die Namen der Großeltern nachgeschlagen. Habe sie gefunden. Die Großmutter ist 1879 geboren, konnte also 1942 keine Kinder im Alter von 16/17 Jahren haben. Also habe ich ihm gesagt, dass seine Tanten wahrscheinlich verheiratet waren, einen anderen Namen trugen. Wir werden jetzt mal nachforschen um herauszubekommen, wie sie wirklich hießen. 

 

Autorin:

Seit Jahrzehnten schon sind die Klarsfelds Anlaufstelle für  derlei Nachforschungen. Hierbei ist Serge Klarsfeld die treibende Kraft.

 

O-Ton Serge K. 3-34:53 En ce moment je fais …

Sprecher:

Ich mache gerade sehr vieles. Vor allem aber erstelle ich eine Art Bilanz dessen, was in Frankreich damals passiert ist. Eine Art Memorium der Deportation. Alle knapp 80.000 Opfer der Deportation aus Frankreich werden darin mit Namen aufgeführt, ebenso wie der Ort, an dem sie arretiert wurden. Dadurch könnten Familien wieder zusammenfinden. Eine Arbeit, die bislang noch niemand gemacht hat. Ich habe das ja schon für die 11.000 aus Frankreich deportierten Kinder zusammengetragen. Dadurch konnten über ganz Frankreich verteilt Erinnerungstafeln aufgestellt werden, in Schulen, in Verwaltungsgebäuden, zum Gedenken an diese Kinder. Damit helfe ich, dass die Erinnerung an das, was passiert ist, nicht verschwindet.

 

O-Ton Beate K 3-52:12

Ne,ne,ne, müde sind wir nie. Nicht? On est jamais fatigué, ne?

 

Autorin:

In Deutschland ist vor allem Beate Klarsfeld bekannt. In Frankreich vor allem ihr Mann Serge. Durch akribisches Aktenstudium hat er erreicht, dass die während der deutschen Besatzung in Vichy ansässige französische Regierung  nicht länger glorifiziert  werden kann. Inzwischen ist klar, dass sie mit den Nazi-Besatzern kollaborierte.

 

O-Ton Serge 3- 8:10

Sprecher:

Es ging uns darum, die Franzosen darüber aufzuklären, wie sehr sich Vichy daran beteiligt hatte. Vichy hatte die  Endlösung der Judenfrage dadurch mit vorangetrieben, dass die meisten Juden in Frankreich durch französische Polizisten festgenommen werden konnten. Die agierten im Auftrag der Nazis. Außerdem hat Vichy den deutschen Nazis Tausende von Kindern ausgeliefert, die anschließend von den Deutschen ermordet wurden. Die Vichy Regierung wusste sehr wohl,  was diese Kinder erwartete. Die meisten waren von ihren Eltern getrennt. Darüberhinaus  konnte man die Deportation dieser Kinder ja nicht gut damit begründen, dass man behauptete, sie kämen zum Arbeitseinsatz. Außerdem hat sich die Vichy-Regierung niemals bei den Deutschen nach dem Verbleib dieser Kinder erkundigt. Deshalb war es unsere Aufgabe aufzuzeigen, welche Rolle Vichy tatsächlich gespielt hat. Vor allem, wo bis Mitte der 70er Jahre die Franzosen in dem Irrglauben lebten, die Juden wären ausschließlich von Deutschen verhaftet  worden. Dies musste korrigiert werden. Man musste klar machen, was tatsächlich vorgefallen war. Darum haben wir uns über 20 Jahre lang bemüht. 00:09:20-5

 

Autorin:

Wer Beate Klarsfeld, die als 29jährige junge Frau im Jahr 1968, also vor über 40 Jahren,  den damaligen deutschen Bundeskanzler Kurz-Georg Kiesinger geohrfeigt hat, in ihrem Büro an der Rue La Boétie nahe den Champs-Elysées in Paris aufsucht, der spürt, wie sehr sich die heute 70jährige noch immer engagiert.  Vorträge vor Schulklassen, Interviews, das Mitwirken an Filmen über die damalige Zeit, Beratungen und Aktionen reißen nicht ab. Sieht so ein erfülltes und erfolgreiches Leben aus?

 

O-Ton Beate K.  22:10

Auf jeden Fall. Ein erfolgreiches Leben. Wenn man 1960 aus Berlin wegging, ohne irgendwas zu haben. Weder Abitur, irgendwas besonderes getan zu haben. Man kommt nach Paris und wird Au-pair-Mädchen und trifft einen jungen Mann, dessen Vater deportiert wurde. Und wir haben zusammen natürlich alles aufgebaut. Ich meine, ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages mal von zwei französischen Präsidenten dekoriert würde mit der Ehrenlegion, dass mich Israel für den Friedensnobelpreis vorschlägt, dass ich in Amerika geehrt wurde. Ich meine, das konnte man sich damals als Deutsche überhaupt nicht denken. Ich glaube, das ist ein Erfolg. Und ich würde immer sagen, was ich für Deutschland getan habe, das ist was Wunderbares. Diese Brücke, die ich geschlagen habe zwischen deutschem und israelischem Volk, ja, das ist unwahrscheinlich. Ich glaube doch, dass das in der Geschichte bleibt. Wie diese Ohrfeige natürlich auch. Ich hätte mir das nie träumen lassen, als ich aus Deutschland wegging.

 

Autorin:

Auch Serge Klarsfeld blickt gerne  zurück.

 

0-Ton Serge K: 24:51 O oui…

Sprecher:

Ja, ich bin sehr zufrieden. Seitdem ich Kind bin interessiere ich mich für Geschichte. Und nun habe ich in der Geschichtsschreibung eine Rolle gespielt.  Beate sicherlich noch mehr als ich. Ich habe eine Rolle in einem Teil der Geschichte gespielt, in der unbedingt ein professioneller Historiker die Dinge gerade rücken musste. Das heißt: Die Geschichte der Endlösung der Judenfrage in Frankreich musste ebenso neu geschrieben werden wie die Darstellung der damaligen  Verantwortlichkeiten in Politik und Justiz. Ich war dabei gleichermaßen Historiker, aber auch an Aktionen beteiligt. Außerdem bin ich ja noch tätig, weit über das normale Rentenalter hinaus.  Und was mich angeht, also jeden zweiten Tag kommt jemand auf der Straße oder in der Metro auf mich zu, drückt mir die Hand und bedankt sich bei mir für das, was ich getan habe.  Das sind ebenso Leute aus dem Volk wie die Präsidenten der französischen Republik. Wir sind einfach ein Teil ihrer Geschichte. on peut pas esperer mieux dans une vie. Mehr kann man von einem Leben nicht erwarten. 

 

Autorin:

Noch immer lassen sie nicht locker. Zeigen zum Beispiel den französischen Rechtsaußen Le Pen an, wo immer der sich eine Blöße gibt

 

O-Ton Serge K.  56:45 On est dans les …

Sprecher:

Wir demonstrieren gegen jede Form von Antisemitismus. Wir engagieren uns im Bildungsbereich, informieren über die Shoah. Wir wollen, dass auch die Moslems wissen, was die Shoah eigentlich war. Hierzu lassen wir einige Veröffentlichungen ins Persische oder Arabische übersetzen. Wir organisieren Reisen nach Auschwitz mit den Bürgermeistern großer moslemischer Städte aus dem Maghreb, der Türkei, aber auch anderer arabischer Städte ebenso wie Bürgermeister europäischer Städte mit großem moslemischen Bevölkerungsanteil. 

 

 Autorin:

Beider Lebenswerk ist beachtlich, weltweit anerkannt. Sie wurden geehrt und ausgezeichnet. Nur in Deutschland zeigt man sich Beate Klarsfeld gegenüber noch immer zurückhaltend, umweht sie auch heute noch der Hautgout der Aufrührerin und  Rebellin.

 

O-Ton Beate K. 3/28:10

Das ist immer noch das Negative vom öffentlichen Deutschland. Ohrfeige ist immer noch negativ gewertet. Außer ich meine damals Heinrich Böll usw. Aber im allgemeinen, es ist noch nicht ins Establishment eingegangen.

3/ 28:33  Man hatte versucht mich ein-zweimal für das Bundesverdienstkreuz vorzuschlagen, die Ablehnung war sofort da. Es ist noch nicht der Augenblick, Frau Klarsfeld. 

 

E N D E